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Meinung: Berliner CDU: Die unerträgliche Leichtigkeit des Zusammenseins

Die Berliner CDU hat sich Mut zugesprochen. Ihr Wahl-Parteitag am Wochenende orientierte sich an dem rustikalen Motto: Die Stimmung ist schlecht, also kann sie nur besser werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner CDU hat sich Mut zugesprochen. Ihr Wahl-Parteitag am Wochenende orientierte sich an dem rustikalen Motto: Die Stimmung ist schlecht, also kann sie nur besser werden. Der ewige CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen hat, wie so oft, den Anfang gemacht. Er ließ sich mit einem glänzenden Ergebnis im Parteiamt bestätigen. Der neue Landesvorstand ist gewählt, die meisten sind zufrieden. Alle Parteigliederungen, Altersklassen und Strömungen sind im CDU-Vorstand eingebunden. Sobald am Dienstag der neue Fraktionschef Frank Steffel installiert ist, steht die Union wieder wohlgeordnet da.

Sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, ist eine Kunst, die die Diepgen-Partei hervorragend beherrscht. Sonst wäre sie nicht immer noch stärkste Regierungspartei in Berlin. Seit genau zwanzig Jahren. Ist die Not groß, schart sich die Landes-CDU einmütig um ihre Führung, damit sie nicht weiter beschädigt wird. Die Ausnahme Landowsky, der nicht mehr zu retten war, bestätigt die Regel. Also rückt man zusammen und zeigt nach außen, dass es ein Erfolgsrezept gibt: Diepgen. Er hat es auf dem Landesparteitag am Wochenende tatsächlich geschafft, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen. Nicht nur durch seine unangefochtene Wiederwahl zum Parteivorsitzenden.

Der alte und neue CDU-Landeschef hat zum Aufbruch gemahnt. Ungewohnt aggressiv und pointiert. Im Grunde genommen hat er mit seinen Angriffen gegen alles, was sich links von den Christdemokraten bewegt, den Berliner Wahlkampf 2004 eingeleitet. Die Verschwörungstheorie Landowsky, nach denen die deutsche Linke die konservativen bürgerlichen Eliten zerstören wolle, trägt Diepgen zwar nicht mit. Dieser hahnebüchene Verfolgungswahn ist ihm fremd. Aber er will schon im Ansatz verhindern, dass die Wähler in Berlin auf dumme Gedanken kommen. Dass sie sich etwa eine Regierung ohne CDU vorstellen könnten.

Deshalb lockt Diepgen auch Gregor Gysi aus der Deckung, der eigentlich keine große Lust hat, Landespolitiker zu werden. Selbst in der Hauptstadt Berlin nicht. Kandidiert Gysi doch, hätten die Sozialdemokraten ein großes Problem. Sie müssten damit rechnen, dass bei den nächsten Abgeordnetenhauswahlen die PDS mit Gysi an der SPD vorbeiziehen könnte. Und was dann? Den Christdemokraten wäre es Recht. Die SPD als Juniorpartner der PDS - eine vorläufig undenkbare Konstellation. Jedenfalls in Berlin. Ein solches Wahlergebnis würde eine äußerst geschwächte SPD, wollte sie weiter regieren, wiederum in die Arme des bewährten, wenn auch ungeliebten Koalitionspartners CDU treiben.

Vorläufig sind das Sandkastenspiele. Aber die frühzeitige Konzentration der Kräfte der CDU auf die Bekämpfung einer rot-roten oder rot-rot-grünen Gefahr zeigt zweierlei: Die Union rechnet inzwischen wirklich damit, dass es 2004 ernst werden könnte mit einem Regierungsbündnis zwischen SPD und PDS, wahlweise mit den Grünen. Andererseits hat die Berliner CDU immer noch Hemmungen, sich selbst neue Optionen zu eröffnen. Zarte Hinweise junger Parteifunktionäre, auch solcher in wichtigen Ämtern, dass sich vielleicht auch mit den Grünen regieren ließe, werden höflich ignoriert. Diepgen ist vorneweg, wenn es darum geht, die Unmöglichkeit schwarz-grüner Regierungskonstellationen in Berlin zu beweisen.

Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Und innerhalb der CDU erhebt sich zunehmender Widerspruch. Noch sind es leise Töne, aber sie werden bald lauter klingen. Die christdemokratischen Nachwuchsleute wissen, dass es längst nicht mehr darum geht, ihnen sinnlose Machtspielchen zu verbieten. Die Traditionalisten um Diepgen wollen verhindern, dass die Partei auf der Suche nach neuen Ideen sich selbst überholt. Der Anspruch, eine plurale und soziale Großstadtpartei zu sein, wird sich so auf Dauer nicht glaubwürdig aufrecht erhalten lassen. Trotz neuer Drohgebärden gegen Links fehlt der Berliner CDU zunehmend das, was sie vor zwanzig Jahren ausgezeichnet hat: der Mut und die Lust, neue Wege zu beschreiten, und die politische Offenheit.

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