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Meinung: Berliner Koalition: Eine Stadt amputiert sich selbst

Wissen sie, was sie tun? Man muss daran zweifeln.

Wissen sie, was sie tun? Man muss daran zweifeln. Haben es nicht alle in Berlin seit Jahren beschworen, dass Wissenschaft und Kultur das einzige Kapital sind, über das die Stadt verfügt? Dass sie nur dann wieder auf die Beine kommen kann - arm an Wirtschaft, Mittelstand, Steuerkraft, wie sie ist -, wenn sie sich als Standort für Wissenschaft und Kultur profiliert, ihre Universitäten und Forschungsstätten pflegt, also ein Klima herstellt, in dem Innovation und Produktivität wachsen und gedeihen. Mit dem Beschluss, das Klinikum Benjamin Franklin, die Klinik der FU in Berlin-Steglitz, als Ort universitärer Arbeit und Forschung zu schließen, schlagen die rot-roten Koalitionäre dieser Erkenntnis mitten ins Gesicht. Sie sind dabei, den Motor abzuwürgen, der die Stadt voranbringen soll. Auch die katastrophale Situation Berlins rechtfertigt eine solche Entscheidung nicht. Die Stadt im Kampf um ihre Existenz? Fürs erste verstümmelt sie sich selbst.

In der Sache ist das meiste schon gesagt - von den Universitäten, den Forschern, der Wirtschaft, auch aus den Reihen der Wissenschaftsorganisationen. Man muss es nochmals sagen, damit das Ausmaß des Skandals deutlich wird. Das Klinikum Steglitz hat in den letzten Jahren an Leistungskraft gewonnen. Zugleich ist Berlin in der Medizinforschung zu einer guten, ja, beneideten Adresse geworden. Die Schliessung trifft diese Entwicklung - einen der nicht sehr zahlreichen Lichtblicke in Berlin. Sie schwächt überdies eine der beiden großen Hochschulen der Stadt, indem sie ihr den Charakter einer Voll-Universität nimmt. Nicht zuletzt nagt sie am politischen Ruf Berlins. Denn der Beschluss wirft, mir nichts, dir nichts, Zusicherungen über den Haufen, die die Politik eben erst gemacht hat. Vielleicht ist dies die fatalste Folge: Wer soll nach dieser Ruf-Schädigung eigentlich noch einen Ruf nach Berlin annehmen? Worauf kann sich Wissenschaft hier noch verlassen?

Gewiss, niemand wird den Koalitionären absprechen, daß sie es sich schwer gemacht haben. Die Verhandlungen standen, glaubt man den Berichten, zeitweise vor dem Scheitern. Aber worüber haben die rot-roten Verlobten so heftig gestritten? Über Kita-Gebühren, Lehrerstellen, Wasserabgaben. Ehrenwerte Themen. Aber nichts war davon zu hören, dass man um die Abwicklung des Klinikums gerungen hätte. Nichts davon, dass man nach Alternativen gesucht hätte. Nichts von der Qual der Entscheidung, die ein solcher Schritt doch verdient hätte. Ein Posten wurde abgehakt, nicht mehr. Hat SPD und PDS überhaupt igendwann der Hauch einer Ahnung gestreift, wo diese Stadt steht, um was es in ihr geht? Es ist diese Leichthändigkeit in einer schwierigen, ja verzweifelten Lage, die das Schlimmste befürchten läßt. Denn: Was ist von einer Koalition zu erwarten, die bei einem der wichtigsten Themen dieser Stadt einen solchen Mangel an Problembewusstsein zeigt?

Nun soll niemand mit dem Argument kommen: Es müsse doch gespart werden. Das weiß inzwischen jeder. An einer Rosskur führt kein Weg vorbei. Aber man muss deshalb nicht den Kopf unter das Beil der Indolenz legen. Niemand hat vor, sich schützend vor jedes Krankenbett zu stellen. So war es auch bisher nicht - Berlin hat mit der Vereinigung von Virchow-Klinikum und Charité die Zahl seiner Klinik-Standorte reduziert und eben erst die schwierige Operation der Abwicklung des Krankenhauses Moabit hinter sich gebracht. Doch wenigstens die Anstrengung der Auseinandersetzung sind SPD und PDS den Bürgern schuldig. Wissen sie wirklich nicht, was sie tun? Wenn sie es täten - es wäre ein schwarzer Tag für Berlin.

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