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Berliner Leben: Familie ist, wo Kinder sind

Welche Ironie. Nun profitieren Trennungskinder vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Immerhin wächst deren Zahl. Weil das Gesetz, das die Wirtschaft ankurbeln soll, auch Kinderfreibeträge steigen lässt, werden Unterhaltszahlungen kräftig erhöht.

Es geht ums Geld, aber im Kern geht es um unser Familienbild. Und es scheint, als ob trotz neuer Bundesfamilienministerin, trotz deren Vorgängerin Ursula von der Leyen, die vor allem die Bedingungen für arbeitswillige Frauen verbessert hat, die Familienpolitik zur Leerstelle geworden ist. Gearbeitet wird woanders. Die Erhöhung der Unterhaltszahlungen beleuchtet deswegen den juristischen Reparaturbetrieb an einem gesellschaftlichen Umbruch. Während im Süden teilweise nur 15 Prozent der Kinder von nicht verheirateten Müttern stammen, sind es in Ostdeutschland bis zu 70 Prozent. In Berlin wird jedes zweite Kind nichtehelich geboren. Das ist nicht mehr Erbe der DDR, die ledige Mütter bevorzugt behandelte, sondern entspricht gewandelten Partnerschaften. Nicht jedes nichteheliche Kind stammt von alleinerziehenden Frauen. Deren Anteil ist gerade in Berlin hoch; doch wächst die Zahl der Mütter, die unverheiratet mit dem Partner zusammenleben. Geheiratet wird immer häufiger erst, wenn die Kinder schon da sind – oder gar nicht mehr. Familie ist da, wo Kinder sind – was für Teile der CDU und der Kirchen nur schwer zu akzeptieren ist, ist Alltag: mit allen Erschwernissen, mit allen Kehrseiten und Härten, vor allem für Kinder.

Denn die sind eben auch die Leidtragenden, wenn es schiefgeht. Trennung ist für den Partner, der die Kinder betreut – zumeist die Frauen –, eine Armutsfalle. Der Anteil der alleinerziehenden Mütter, die von Hartz IV leben, ist enorm hoch; viele Väter entziehen sich zudem den Unterhaltszahlungen, so dass der Staat in Vorleistung treten muss. Und der höhere Hartz-IV-Satz für Kinder beseitigt nur die bisherige ungerechte Zumessung, kaum aber die materielle Not der Familien. Wer argumentiert, die garantierte Alimentierung durch die Väter verleite Frauen zu egoistischer Selbstverwirklichung und sexueller Freizügigkeit, ist lebensblind. Liebe lässt sich eben nicht verordnen und festhalten auch nicht. Familie ist aber dennoch mehr als ein Regelungsgeflecht.

Es ist freilich weniger die Politik, es sind vor allem Gerichte, die wie ein Klempnerbetrieb justieren, was Familie ist. Nicht nur bei der Düsseldorfer Tabelle. Vor kurzem hat der Bundesgerichtshof gegen die Hausfrauenehe entschieden: Eine neue Ehepartnerin muss notfalls Geld dazuverdienen, damit die Ex-Frau des Partners in ihrem Unterhaltsanspruch gleichbehandelt wird. Der Bundesgerichtshof hat aber auch festgestellt, dass Mütter ab dem dritten Geburtstag des Kindes zur Arbeit verpflichtet sind, wenn es einen Kitaplatz gibt.

In Berlin, wo die neue Unübersichtlichkeit besonders deutlich ausgeprägt ist, findet sich das in der politischen Debatte aber kaum wieder, obwohl Rot-Rot unverdächtig ist, der Ehe als einzigem Familienmodell den Vorzug zu geben. Es gibt seit zwei Jahren einen vom Senat eingerichteten Familienbeirat, der fleißig an einem Familienatlas arbeitet, von der Landesregierung aber erkennbar stiefmütterlich behandelt wird. Die rot-rote Landesregierung ist auch im Bundesrat nicht mit Initiativen zur Besserstellung von Partnerschaften mit Kindern aufgefallen. Und Berlin wartet seit der fulminanten Rede des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zur demografischen Entwicklung Berlins auf politische Wegweisungen – also seit nahezu drei Jahren.

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