zum Hauptinhalt
Wirtschaftssenator Harald Wolf erklärt die Mieten zur Koalitionsfrage.

© dpa

Berliner Mieten: Immer nur nach oben

Linke-Spitzenkandidat Harald Wolf verspricht, die sich aufschaukelnden Mietpreise zu stoppen. Aber wie? Die Instrumente der Politik zum Schutz der Mieter sind längst stumpf, wichtige Chancen wurden verpasst.

Versprochen, jetzt wird gehandelt, sagt Linke-Spitzenkandidat Harald Wolf, das Thema kommt auf die nächste Sitzung der Landesregierung. „Mieter vor Wild-West schützen“, plakatiert die Partei mit oppositionellem Pulverdampf. Kleiner Fehler: Die nächste Sitzung des Senats ist die vorletzte vor dem Wahltermin – und die Linke sitzt seit zehn Jahren am Kabinettstisch. Deswegen wird es wohl nichts mehr werden mit dem heldenhaften Kampf für die Mieter.

Die glauben das wohl auch nicht mehr. Vertreter von Parteien sind ausdrücklich nicht erwünscht, wenn am Samstag mehr als zehntausend Berliner auf die Straße gehen. So ernst brennende Autos sind, für viele Berliner ist das brennendere Thema die Sorge, sich die Wohnung bald nicht mehr leisten zu können. Es bedarf keiner Gentrifizierungstheorie, um dies zu begründen, es reichen die einfachen Grundrechenarten. Durch Zuzug und die wachsende Zahl von Singles hat die Zahl der Haushalte um 165 000 zugenommen – so viel, wie der gesamte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Wohnungen hat. Bis 2020 sollen weitere 100 000 Haushalte dazukommen. 60 000 neue Wohnungen müssen gebaut werden, fordert der Verband der Wohnungsunternehmen. Tatsächlich gebaut aber wird nur die Hälfte.

Kein Wunder, dass die Wohnungen knapp werden – und die Mietpreise seit 2006 um 17 Prozent gestiegen sind. Die Instrumente, die die Mieter schützen sollen, werden dagegen immer stumpfer: Denn der Mietspiegel ist keine Preisbremse, sondern zeichnet nur getreulich die sich aufschaukelnden Mietpreise nach. Und für Neuvermietungen gilt er nicht. Deswegen wird die Schere zwischen realer Miete und dem Mietspiegel immer weiter. Von der Schutzfunktion der landeseigenen Wohnungsunternehmen ist nichts mehr zu spüren – die nämlich sollen auf Geheiß des Senats Geld verdienen: Über zehntausend Mietern wurden jetzt Erhöhungen zugestellt. Die günstige Abgabe von Grundstücken an die Gesellschaften, damit die billiger bauen – im Frühjahr vom Regierenden Bürgermeister angekündigt –, ist dagegen nur eine Idee geblieben.

Zur Entspannung des Marktes hätte die rot-rote Koalition längst das Zweckentfremdungsverbot einführen können Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Die wenigsten Berliner tröstet es, dass es hier immer noch preiswerter ist als in München oder Hamburg – denn auch die Einkommen sind ungleich niedriger. Mieter fühlen sich als Freiwild, wo Immobilienaufkäufer nur einen Schnäppchenmarkt sehen. Dabei ist klar, dass sich der Markt nicht aushebeln lässt. Wer am Potsdamer Platz wohnen möchte, muss dafür bezahlen. Wer beim Preis nicht mithalten kann, hat zwar ein Recht auf Wohnen – aber nicht im Zentrum. Alles andere ist sozialistische Sozialromantik.

Zur Entspannung des Marktes hätte die rot-rote Koalition längst das Zweckentfremdungsverbot einführen können, um 80 000 Wohnungen, die als Anwaltskanzleien oder Ferienapartments genutzt werden oder aus spekulativen Gründen leer stehen, wieder auf den Markt zu bringen. Verzichtet hat der Senat auch auf ein Verbot von Umwandlungen in Eigentumswohnungen nach Hamburger Vorbild. Und die gerade vom Senat erneuerte siebenjährige Sperrfrist für Kündigungen nach Wohnungsverkäufen schützt die Mieter nicht vor Mieterhöhungen. Genau deswegen fürchten sich die Mieter vor aufwendigen Modernisierungen und energetischer Sanierung, weil die Kosten auf die Miete aufgeschlagen werden.

Die einen verstehen Berlin, die anderen schützen Mieter vor Wild-West. Da kann ja nichts mehr schiefgehen, wenn sich Rot-Rot auf der nächsten Senatssitzung über Mieten unterhält. Versprochen.

Zur Startseite