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Eine Frage der Ästhetik: Galeria Kaufhof und der nebenstehende Shoppingtempel Alexa in der Berliner Stadtmitte am Alexanderplatz.

© dpa

Berliner Neubauten: Kommerzarchitektur oder die Diktatur des Marktes

Die Berliner Baupolitik ist ein hart umkämpftes Feld - und wird aus architektonischen Gesichtspunkten oft von ästhetischen Fehlgriffen begleitet. Die Verfeinerung von Bebauungsplänen könnte gegen den innerstädtischen Wildwuchs einlenken.

Da wächst etwas. Und je höher es wächst, umso weniger möchte man seinen Augen trauen. Es ist ein bösartiges Wachstum.

Die Rede ist von jenen Bauversuchen am Berliner Hauptbahnhof, aber nicht nur dort. Begonnen hatte es mit dem Meininger-Billighotel, das mit wenig Sinn und ebenso wenig Verstand vor die gläserne Röhre des Gerkan-Baus geklotzt wurde und damit die Delikatesse der Architektur ruinierte. Ganz in der Nähe entstehen jetzt das neue Bildungsministerium und der Neubau des Innenressorts, ein Ensemble der Gesichtslosigkeit und des immer Gleichen – soweit es jedenfalls die Rohbauten verraten. Ein Stück weiter wächst dann die Festung des Bundesnachrichtendienstes mit ihren Schießscharten-Fenstern in die Höhe der Chausseestraße, eine monströse Agglomeration. Eine Serie der Todsünden, es sind nicht nur sieben, die Liste ließe sich beliebig fortschreiben. Ganz zu schweigen von veritablen Scheußlichkeiten wie der amerikanischen Botschaft, dem pinkfarbenen Alexa-Kaufhaus oder dem Saturn-Klotz gleich daneben.

Was geschieht denn da in Berlin? Wo ist die Instanz, die diesem Einhalt gebietet? Wo erhebt sich die Stimme, die das schrecklich befreiende Wort ausspricht – hässlich?

Aber soll es so eine Stimme wirklich geben? Wo könnte ein Richter sein, der sein ästhetisches Verdammungsurteil spricht? Wer wollte die gestalterische Freiheit der Architekten beschneiden, das freie Spiel der Kräfte? Welche Errungenschaft ist es doch, dass keine Obrigkeit, kein Kaiser und kein König Geschmacksdekrete mehr erlässt. Selbstverständlich darf, kann und muss darüber gestritten werden, welche Bauten einem urbanen Empfinden zuträglich sind und welche nicht. Und selbstverständlich wird es darüber stets so viele Meinungen wie Streithähne geben. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass dieses urbane Empfinden als Maßstab verloren gegangen ist, mag auch ansonsten alles seinen demokratisch korrekten Weg gegangen sein – Ausschreibungen, Wettbewerbe, Juryurteile.

Ein Diktat des Geschmacks kann es nicht geben. Und dennoch hat die Berliner Baumisere etwas mit Diktatur zu tun. Mit der Diktatur des Marktes nämlich. Berlin ist eine arme Stadt und auf jeden Investor angewiesen. Und wer wäre so dreist (oder so naiv), demjenigen, der Geld in die Kassen bringt, auch noch Vorschriften machen zu wollen, gar ästhetische? Wer kann, der darf. Das ist die Freiheit der Marktwirtschaft. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.

Vielleicht doch. Schließlich gibt es Bebauungspläne. Und in denen können Kriterien festgelegt werden, die nicht nur Art und Maß der Nutzung eines Bauwerks bestimmen, sondern auch ästhetische Komponenten berücksichtigen. Selbstredend hätte man zum Beispiel im Fall des Meininger-Hotels einen gewissen Abstand zur Gleisröhre des Hauptbahnhofs festlegen können. Oder beim Alexa die groteske Farbgebung untersagen. Dieser Weg ist mühsam, kompliziert, möglicherweise auch langwierig. Weshalb Bebauungspläne gerne etwas „weicher“ gehalten sind – man will mögliche Investoren schließlich nicht verschrecken. Diese Weichheit aber befördert den Wildwuchs.

Berlin hätte Besseres verdient. Nicht dass man erwarten würde, die Stadt müsse in der architektonischen Champions League spielen. Aber ein bisschen mehr als im Mittelfeld der Bezirksliga dürfte es schon sein.

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