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Berliner S-Bahn: Sieben dunkle Jahre überstehen

Vorausschauende Verkehrsexperten fordern seit langem, den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr grundsätzlich in die Obhut der Länder zu geben. Insofern stimmt die Richtung, die der Berliner Senat, der Not gehorchend, jetzt einschlägt. Aber die Entscheidungen, die mit entschlossener Miene angekündigt werden, kommen viel zu spät.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche – so weit ist es noch lange nicht. Und in Berlin verfestigt sich der Eindruck, dass auch die politischen Weichen eingefroren sind. Die Zukunft der S-Bahn betreffend, erreicht der rot-rote Senat jedenfalls nur mühsam das richtige Gleis. Die Landesregierung lässt sich dabei leider nicht von nachhaltigen verkehrspolitischen Strategien lenken, sondern wird geschoben und gedrängt von der täglich wachsenden Wut der Berliner, die auf den öffentlichen Schienennahverkehr angewiesen sind.

Als wäre es eine brandneue Erkenntnis, verkündet die fachlich zuständige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer jetzt, dass die Berliner S-Bahn ein monopolistisches Unternehmen sei, aus deren Abhängigkeit sich die Stadt befreien müsse. Nanu? Ist die bundeseigene Bahn AG nicht schon seit 20 Jahren Eigentümer? Scheiterte nicht 2001 der halbherzige Versuch, S-Bahn und Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu fusionieren? Wurde nicht 2003 das Angebot eines seriösen privaten Verkehrsunternehmens, die Ringbahn zu übernehmen, rundweg abgelehnt? Nun gut, in früheren Jahren rollten die Waggons noch ohne größere Schäden an Bremsen, Türen und Blech über das zweifellos großartige Berliner Schnellbahnnetz. Aber schon immer war die S-Bahn viel zu teuer und der neue S-Bahnvertrag, auf den sich Hartmut Mehdorn und Klaus Wowereit 2004 mit mannhaftem Handschlag einigten, setzte den unhaltbaren Zustand fort.

Aber das Schlimmste an diesem Vertrag war nicht die rechtlich verbindliche Zustimmung, sich von dem Monopolisten Deutsche Bahn weiter finanziell aussaugen zu lassen. Sondern die Laufzeit der Vereinbarung: Bis 2017 hat sich die Berliner Landesregierung weitgehend handlungsunfähig gemacht. Wenn Junge-Reyer nun mitteilt, ein Viertel des Schienennetzes 2011 ausschreiben und bis 2017 für 600 Millionen Euro schöne neue Wagen einkaufen zu lassen, weist dies zwar in die richtige Richtung, vertagt die Lösung der Probleme aber in ferne Zeiten. In sieben Jahren bringt vielleicht kein Berliner mehr genügend Kraft und Mut auf, einen S-Bahnhof zu betreten. Nur die Frostbeulen dieses Winters, die sich die Reisenden auf den Bahnsteigen derzeit holen, sind bis dahin verheilt.

Vorausschauende Verkehrsexperten fordern seit langem, den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr grundsätzlich in die Obhut der Länder zu geben. Insofern stimmt die Richtung, die der Berliner Senat, der Not gehorchend, jetzt einschlägt. Aber die Entscheidungen, die mit entschlossener Miene angekündigt werden, kommen viel zu spät. Es ist nicht Aktion, sondern nur noch Reaktion. Auch wenn es wohl tatsächlich das beste wäre, die S-Bahn oder wenigstens wichtige Teile des Betriebs der bewährten und zuverlässigen BVG zu übergeben.

Die Frage, wer das bezahlen soll, ist damit allerdings noch nicht beantwortet. So wie der Bund und seine Bahn gegenüber Berlin seit Jahren agieren, ist keine großzügige Hilfe zu erwarten. Es wird Weihnachten 2017 keine hübsch verpackte S-Bahn als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum liegen. Die Übernahme durch Berlin könnte richtig teuer werden. Es gibt nicht einmal positive Signale, dass die Bahn ihre unattraktive Tochter für teures Geld verkaufen will. Der Senat will deshalb eine Bundesratsinitiative starten, damit der Eigentümer Bund die Belange des Gemeinwohls bei der Deutschen Bahn künftig besser durchsetzt. Na, dann werden ja morgen in Berlin wieder alle Züge pünktlich fahren.

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