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Rot-Schwarz startet. Dreieinhalb Monate nach der Wahl in Berlin will Klaus Wowereit eine Regierungserklärung abgeben.

© dapd

Berliner Senat: Ab in die Werkstatt

Gut drei Monate sind seit der Wahl in Berlin vergangenen. Am Donnerstag will der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in einer Regierungserklärung seine Pläne vorstellen. Und schon jetzt ist klar, was dieser Senat am meisten braucht: Unruhe.

Dicke Bretter will er bohren; der designierte Justizsenator Thomas Heilmann. Ach ja, eine Berliner Landesregierung gibt es auch noch. Außer Innensenator Frank Henkel, der wacker nach einem neuen Polizeipräsidenten sucht, ist davon bisher nicht viel zu sehen. Am Donnerstag steht die rot-schwarze Regierungserklärung an. Dann sollte es endlich losgehen in der Senatstischlerei.

Die träge Stimmung im Senat macht unruhig. Fast zwei Monate nach dem Handschlag von SPD und CDU ist von Aufbruchstimmung nichts zu spüren. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat zu dem Bild beigetragen. In der Affäre um Justizsenator Braun hat er zu lange den Eindruck entstehen lassen, diese sei allein eine Angelegenheit des Partners CDU. Mit der Richtlinienkompetenz, die er beansprucht, passt das nicht zusammen. Und weder dürfen die SPD-Strategen zufrieden notieren, dass die erstaunlich pflegeleichte CDU mit dem Stolperstart einen Dämpfer bekommen hat noch die Union sich damit zufriedengeben, endlich wieder mitzuregieren. Erfolg gibt es nur gemeinsam.

Ob die Statik der Landesregierung so gezimmert ist, dass es nicht kracht? Der Nachzügler Heilmann ist einer, der gerne mit flotten Anregungen auch über die Probleme anderer Ressorts nachdenkt. Der Querdenker und Quereinsteiger hat damit schon seine CDU-Parteifreunde genervt. Doch Unruhe kann der Senat brauchen. Deswegen ist gut, dass Heilmann antritt statt der in Steglitz weltberühmten Abgeordneten Cornelia Seibeld, die auch wegen der garstigen Behandlung Brauns den Job ausschlug. Die geäußerten Zweifel, ob Heilmann mit einer komplizierten Justizverwaltung klarkommen wird, illustrieren, wie gering in Berlin offenbar die Erwartungen an einen Senator sind. Doch Politik ist nicht, in den Verästelungen der Verwaltung zu Hause zu sein. Politik ist, gestalten zu wollen – auch über den Rand des eigenen Ressorts hinaus.

Dafür gibt es allerdings wenig Anzeichen. Fast scheint es, als seien einige Senatoren schon im Leerlauf-Modus voll beansprucht, obwohl die Bewährungsproben erst kommen. Das verstärkt das Unbehagen. Der Senat ist nicht einer der großen Namen geworden, auf den Berlin hoffte. Nur die aber hätten merkwürdige Ressortzuschnitte gerechtfertigt, wo Wissenschaft hier und Forschung dort angesiedelt ist. Stattdessen besetzen Neulinge zentrale Positionen.

Um so mehr Gewicht kommt den beiden Unternehmern zu, dem in Wirtschaft und Internetwelt bestens vernetzten Heilmann und Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Beide kennen die Sorgen und Wünsche der Entscheider und genießen bei ihnen Reputation, die Berlin für einen wirtschaftlichen Aufschwung dringend braucht. Denn bisher gehört zu Berlins Ruf nicht nur, sexy zu sein, sondern auch, es Unternehmen hier schwer zu machen.

Im Koalitionsvertrag steht viel Richtiges; die Konzentration auf Wirtschaft und Infrastruktur gehört dazu. Für ein Leitbild, das Zukunftswillen beweist, braucht es mehr. Der Maßstab ist nicht die gepflegte rot-rote Langeweile der vergangenen fünf Jahre, sondern der Mentalitätswechsel, mit dessen Postulat ein energischer Klaus Wowereit 2001 antrat und die Stadt aufscheuchte. Auch die CDU muss den Willen dazu noch beweisen. In der Werkstatt des neuen Berlin sind die dicken Bretter angeliefert; aber jemand muss sie hobeln und bohren wollen. Dann darf es ruhig mächtig stauben – auch im Senat.

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