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Jan Stöß kämpft um den Vorsitz der Berliner SPD

© dpa

Berliner SPD: Stöß und die Machtfrage

Jan Stöß tritt gegen Berlins SPD-Chef Michael Müller an – das klärt die Verhältnisse, meint Gerd Appenzeller. Zumal es auch um die Nachfolge von Klaus Wowereit für die Wahl 2016 geht.

Klaus Wowereit tat, was er tun musste. Er stärkt dem Mann den Rücken, der ihm ein Jahrzehnt lang seinen Rücken frei gehalten hat. Der Regierende Bürgermeister will, dass Michael Müller als SPD-Vorsitzender bestätigt wird und nicht gegen Jan Stöß unterliegt. Der hat nun nach längerem Zögern seine Kandidatur für das höchste Parteiamt angemeldet.

Müller, seit November Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, war von Juni 2001 bis November 2011 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und spielte dort jene Rolle, die Klaus-Rüdiger Landowsky auf der CDU-Seite ebenfalls über einen langen Zeitraum für Eberhard Diepgen ausfüllte.

Fraktionsvorsitzende einer Regierungspartei stehen in doppelter Verantwortung. Sie müssen der Kanzlerin, dem Ministerpräsidenten oder eben dem Regierenden Bürgermeister die notwendigen Mehrheiten im Parlament organisieren. Sie müssen aber auch das Selbstbewusstsein der eigenen Abgeordneten stärken und ihnen das Gefühl geben, nicht nur Vollzugsorgan der Regierung, sondern eigenständig gestaltende Kraft zu sein.

Michael Müller nahm den ersten Teil dieser Pflichtaufgabe möglicherweise ernster als den zweiten. Darunter litt auch sein Erscheinungsbild als Parteivorsitzender. Das wurde er 2004. Vor allem seit der Koalition mit der CDU verstärkt sich das Murren des linken Parteiflügels. Für den tritt nun Jan Stöß an, der Sprecher dieses Flügels, aber alles andere als ein radikaler Veränderer. Auch die gibt es in der Berliner Sozialdemokratie. Ihnen ist aber entgangen, dass die Konkurrenz in dem linken Parteienspektrum in Berlin groß, die Chance, dort Blumentöpfe zu gewinnen, also eher klein ist.

Der 38-jährige Richter Jan Stöß ähnelt dem fast zehn Jahre älteren Michael Müller durchaus. Beide sind grundsolide, verlässlich, denken nach, bevor sie reden. Beide sind das, was der linke Parteiflügel eher nicht sein möchte: bürgerlich. Aber wenn Michael Müller als Parteivorsitzender gewählt würde, entstünde eine gänzlich andere Situation als bei der Wahl von Jan Stöß. Klaus Wowereit wird wohl bis 2016 Regierender Bürgermeister bleiben. Seine bundespolitischen Ambitionen kann er abschreiben, die SPD braucht keinen vierten Kanzlerkandidaten, und alles andere interessiert Wowereit nicht.

Aber für die Wahl 2016 würde sich ein Parteivorsitzender Müller als Spitzenkandidat warmlaufen – und davor graust es vielen in der SPD. Michael Müller hat zwar viele Talente. Aber ob das, eine Wahl zu gewinnen, dazu gehört, darf man bezweifeln. Außerdem lässt ihm das anspruchsvolle Senatsamt mit seinen gewaltigen Zukunftsaufgaben kaum Zeit, auch noch die Partei zu profilieren.

Ob Jan Stöß den Ehrgeiz, Spitzenkandidat zu werden, überhaupt hat, ist fraglich. Aber Müllers spätere Kandidatur für die Wowereit-Nachfolge würde er durch seine Wahl zum Parteichef verhindern. Und dann kann die SPD in Ruhe nachdenken, wie es weitergeht. Die Entscheidung, wer Frontmann oder Frontfrau der Berliner Sozialdemokraten für 2016 wird, hat nämlich noch viele Jahre Zeit.

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