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Meinung: Berlins Vorwärtsverteidigung

Von Brigitte Grunert Don Quichote kämpfte gegen Windmühlen. Finanzsenator Thilo Sarrazin ist kein Ritter von der traurigen Gestalt.

Von Brigitte Grunert

Don Quichote kämpfte gegen Windmühlen. Finanzsenator Thilo Sarrazin ist kein Ritter von der traurigen Gestalt. Er schießt nur gern mit Schreckschusspistolen, um das ganze, unaufhaltsame Wachstum des Berliner Schuldenberges zu verdeutlichen. Dramatisch sind vor allem die steigenden Zinslasten, die bald alle frischen Kredite auffressen. Berlin spart seit Jahren, aber ganz gewiss nicht genug. Im Haushalt 2002 steigt die Neuverschuldung auf die Rekordhöhe von 6,3 Milliarden Euro. 2,5 Milliarden davon müssen als Zinsen gleich wieder bei den Banken abgegeben werden. Doch unbeeindruckt wird lautstark gegen die Sparpolitik protestiert.

Unterdessen macht Sarrazin mit seiner verbalen Schocktherapie folgenlose Schlagzeilen. Neulich empörte er das Parlament direkt vor der Verabschiedung des Haushalts mit der Anmerkung, der Etatplan sei nicht verfassungskonform. Der Regierende Bürgermeister pfiff ihn zurück, um die Zustimmung nicht zu gefährden. Dabei wusste jeder: Sarrazin hat Recht; seit Jahren fallen die Investitionen deutlich geringer aus als die Neuverschuldung. Das gestattet die Verfassung nur zur Abwendung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Die Ausnahme ist zur Regel geworden, und das gestattet die Verfassung nicht.

Jetzt schockte der Finanzsenator mit einem neuen Offenbarungseid. Dickfellige werden auch den überhören. Er wünscht sich vom Bund 23 Milliarden Euro, um Berlin aus der Zins- und Schuldenfalle zu helfen. Das wäre die Hälfte des (heutigen) Schuldenbergs. Zum Vergleich: Der Bundesverteidigungsetat ist 24 Milliarden Euro schwer und gilt als unterfinanziert. Die Bundeswehr müsste also abgeschafft oder für ein Jahr auf Null-Diät gesetzt werden. Die Vorstellung ist natürlich „abartig“, genauso, wie Sarrazin selbst die Rekordhöhe der Neuverschuldung als „abartig“ bezeichnet hat. Wüsste man nicht um den großen Ernst, mit dem er sich um die Gesundung der Finanzen bemüht, müsste man ihn für einen Hofnarren halten. Ginge es nach ihm und Klaus Wowereit, müsste die rot-rote Koalition den Rotstift mit viel mehr Nachdruck ansetzen und dem Protestgeschrei entschiedener entgegentreten.

Solange der Eindruck besteht, dass sich Berlin nur unzureichend selbst hilft, werden Bund und Länder nicht zur Hilfe bereit sein. Da braucht sich niemand Luftschlösser vorzumachen. Andere Länder und Kommunen haben auch kein Geld; der Bund könnte sich vor Hilferufen nicht retten. Folglich wartet er die Klage Berlins auf Unterstützung vor dem Bundesverfassungsgericht ab. Der Senat wird sie einreichen müssen, er bereitet sie bereits vor. Dann aber wird gerichtlich festgestellt, was sich Berlin leisten kann – und was nicht. Dann werden auch die Letzten merken, was sparen heißt.

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