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Meinung: Besser gründlich

Eine überstürzte Umsetzung der Föderalismusreform wäre nicht gut

Am Montag geht’s los, Union und SPD beginnen ihre Koalitionsverhandlungen. Da braucht es gelegentliche Erfolgsmeldungen. Und wenn die Koalition dann irgendwann vor Weihnachten zu regieren beginnt, wird sie schnell etwas vorlegen wollen, um Handlungsfähigkeit zu beweisen. Nach Lage der Dinge wird dafür die Föderalismusreform herhalten müssen. Das aber täte der Reform gar nicht gut.

Dass es mit der Neujustierung des Bund-Länder-Verhältnisses, die jahrelang verschleppt wurde, nun plötzlich geschwind gehen soll, hat durchaus sachliche Gründe. Denn das Reformprojekt – vor zwei Jahren mit der Bundesstaatskommission ernsthaft begonnen – stand schon zweimal vor dem Abschluss. Im vorigen Dezember scheiterte die Kommission vordergründig an bildungspolitischen Differenzen zwischen Bund und Ländern. Im Hintergrund jedoch war auch ein allgemeines Unwohlsein über die ausgehandelten Kompromisse zu spüren, die nicht so weit gediehen waren, wie man es hätte erwarten können. Im Mai dann scheiterte der von Edmund Stoiber und Franz Müntefering betriebene Neuanlauf wegen der Neuwahlen. Doch hatten sich die beiden weitgehend verständigt, offiziell ist das Ergebnis nicht bekannt.

Nun wird diese stille Einigung wohl die Grundlage für den dritten Anlauf sein. Der muss zum Erfolg führen, will die politische Klasse sich nicht lächerlich machen. Schon ist zu hören, die Föderalismusreform sei so gut wie ausverhandelt. Doch das Ansinnen, es nun des Erfolgsdrucks wegen schnell umzusetzen, ist falsch. Es wäre ein schlechter Start der großen Koalition, Bundestag und Bundesrat den Kompromiss von Stoiber und Müntefering aufzunötigen, ohne nochmals zu versuchen, die vorliegenden Ergebnisse zu verbessern.

Das soll nicht heißen, nun mit der Reform von vorn zu beginnen, wieder zwei Jahre zu beraten oder neue Themen anzugehen, etwa die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern, die man in der Kommission wohlweislich zum größeren Teil ausgeklammert hatte, um überhaupt zum Erfolg zu kommen. Das ist eine Zukunftsaufgabe. Auch genügt eine kleine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Aber die muss versuchen, das Ausgehandelte zu schärfen und zu optimieren. Die notwendige Trennung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern etwa lässt sich durchaus noch kräftiger ausgestalten. Klarer als bisher muss den Ländern die Bildungspolitik zugeordnet werden, auch auf anderen Politikfeldern wie Umwelt und Soziales kann die Gestaltungsmacht der Regionen größer werden. Das sieht auch das höchste Gericht in Karlsruhe so. Umgekehrt gibt es bei den Zustimmungsrechten des Bundesrats noch Raum für Einschnitte. Und in der Europapolitik sollte der Bund angesichts einer EU von 25 Mitgliedern noch mehr von föderalen Fesseln befreit werden. Gegen Reformhektik spricht auch, dass Schwarz und Rot für die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit zumindest im Bundesrat auf die FDP angewiesen sind.

Die Föderalismusreform könnte durchaus auch eine Kernaufgabe der großen Koalition sein, die nicht auf einen Streich erledigt werden muss. Denn selbst wenn es bald zu einem Ergebnis auf Basis der Pläne von Stoiber und Müntefering kommt – beendet ist das Thema damit nicht. Die beiden haben noch viel Luft gelassen für Reformer, deren Ehrgeiz auch groß ist.

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