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US-Präsident Barack Obama kommt Mitte Juni nach Berlin - genau zwischen zwei symbolischen Tagen.

© AFP

Besuch im Juni: Auch Obama ist ein Berliner

US-Präsident Barack Obama kommt Mitte Juni nach Berlin - genau zwischen zwei symbolischen Tagen. Und: Er kommt nicht, um sich in den Schatten Kennedys zu stellen.

Nun kommt er endlich, zwischen zwei symbolischen Jahrestagen. 60 Jahre liegt der Aufstand vom 17. Juni in Ost-Berlin zurück, 50 Jahre John F. Kennedys bejubelter Besuch, bei dem er die Bündniszusage für Westberlin am 26. Juni bekräftigte. Geschichtsbewusstsein ist wichtig, aber ebenso die Einsicht, dass die Lage sich geändert hat. Barack Obama und Angela Merkel stehen vor anderen Herausforderungen als JFK und Willy Brandt.

Der Rückblick kann helfen, Energien zur Lösung der neuen Aufgaben freizusetzen, freilich nur, wenn er sich nicht in Nostalgie erschöpft. Die Fixierung auf die Frage, ob Obama am Kennedy-Tag spricht, stand für Nabelschau statt nüchterne Analyse. Obama kommt nicht in erster Linie, um sich in den Schatten eines Vorgängers zu stellen. Er hat seine eigene Agenda. Das gilt ebenso für die Kanzlerin.

Im übertragenen Sinn geht es noch immer um Freiheit und die Verteidigung des deutschen und amerikanischen Gesellschaftsmodells. Das nackte Überleben der Berliner ist nicht mehr bedroht, wohl aber die langfristige ökonomische Grundlage des gewohnten Alltags. Deutschland ist nicht mehr geteilt, der nächste Krieg droht nicht in Europa. Die Fragen stellen sich nun andersherum: Deutschland ist heute die ökonomische Führungsmacht in Europa. Welche Beiträge leistet es für die Freiheit anderer, nachdem es sich über Jahrzehnte auf die Solidarität seiner Alliierten verlassen durfte? Trägt es genug zur Sicherung des freien Austauschs von Waren und Dienstleistungen bei, der die Basis des deutschen Wohlstands bildet?

Und wie reagieren Deutschland und die USA auf den Aufstieg neuer Mächte, vor allem in Asien: Verfolgen sie eine gemeinsame Strategie, die die westliche Dominanz in der globalen Ordnung möglichst lange erhält und auch dann noch entscheidende Mitsprache sichert, wenn China die USA in einigen Jahren als größte Volkswirtschaft ablöst und später auch die EU als größten Wirtschaftsraum überholt? Oder geht jeder seine eigenen Wege, um sich kurzfristige nationale Vorteile zu sichern?

Deshalb ist die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (kurz TTIP für Transatlantic Trade and Investment Partnership) strategisch so wichtig. Amerika und Europa stehen für 50 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, 60 Prozent aller Forschungsausgaben, 75 Prozent der weltweiten Finanzdienstleistungen und 60 Prozent aller Auslandsinvestitionen – die im Übrigen zum Großteil nicht nach Asien fließen, sondern ebenfalls nach Europa und in die USA.

Weder Amerika noch Europa ist allein stark genug, um weltweite Standards und Industrienormen zu setzen. Gemeinsam können sie es, noch. Die Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks suchen zudem nach Wachstumsquellen, die nicht mit Verschuldung erkauft werden. Auch das kann TTIP leisten. Vor 20 Jahren hat Präsident Bush senior Kanzler Kohl eine Führungspartnerschaft angeboten. Das kam zu früh, Deutschland war noch nicht so weit. Nun haben Obama und Merkel es in der Hand.

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