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Meinung: Betriebsverfassungsgesetz: Alles Müller, oder was?

Wozu brauchen wir einen Bundeswirtschaftsminister? Diese Frage stellt sich der parteilose Werner Müller auch: Er wolle nicht zurücktreten, doch auch "nicht wirkungslos" sein.

Wozu brauchen wir einen Bundeswirtschaftsminister? Diese Frage stellt sich der parteilose Werner Müller auch: Er wolle nicht zurücktreten, doch auch "nicht wirkungslos" sein. Anlass ist der Streit um die Reform der Betriebsverfassung. Erst hat Müller eine Vermittlerrolle angeboten, dann legte er Gegenvorschläge zu dem Entwurf von Arbeitsminister Walter Riester vor. Damit hat sich der Zwist zum regierungsinternen Konflikt verschärft. Und aus dem Arbeitgeberlager heißt es, wenn Müller keinen Teilerfolg erreiche, sei er als "politisches Leichtwicht" kompromittiert. So sieht es gegenwärtig aus, denn Bundeskanzler Gerhard Schröder stellt sich hinter seinen Arbeitsminister. Und demonstriert Werner Müller dessen "Wirkungslosigkeit".

Seit Wochen dröhnt es gewaltig aus den Verbänden, die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 wird zur Systemfrage erhoben. Die Wut in den Unternehmen sei größer als einst in den Schlachten um die 35-Stunden-Woche, sagt etwa Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Der Verband Gesamtmetall spricht von einer "systemverändernden" Reform, andere drohen mit dem Bundesverfassungsgericht. Viel Lärm um nichts? Nein. Überraschend ist nur, wie spät die Arbeitgeber aufgewacht sind. Die Modernisierung der Mitbestimmung steht in der Koalitionsvereinbarung vom Herbst 1998, Riesters Eckpunkte liegen seit Monaten vor. Erst das Thema verschlafen, dann umso kräftiger draufgeschlagen - die Strategie der Arbeitgeber ist nicht sehr überzeugend. Dabei sind die Argumente gar nicht so schlecht: Die Reform bringe den Unternehmen höhere Kosten und mehr Bürokratie, die Ausweitung der Mitbestimmung blockiere Investitionen und schränke die unternehmerische Freiheit ein.

Zu den Kosten. In Betrieben, die zwischen 51 und 1000 Arbeitnehmer beschäftigen, soll es künftig mehr Betriebsräte geben; zum Beispiel hätte eine Firma mit 120 Beschäftigen sieben statt bislang fünf Betriebsräte. Hinzu kommt eine Absenkung der so genannten Schwellenwerte: Die Grenze für die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds von der Arbeit will Riester von 300 auf 200 Mitarbeiter heruntersetzen. Das kostet Geld, keine Frage. Über die Höhe kann indes nur spekuliert werden. Im Übrigen muss auch heute schon ein Betriebsrat von der Arbeit freigestellt werden, wenn dies für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist.

Die Gewerkschaften beharren auf geringeren Schwellenwerten, weil nach ihren Berechnungen der statistische Durchschnittsbetrieb immer kleiner geworden ist, entsprechend immer weniger Betriebsräte freigestellt wurden. Hauptargument: Ein freigestellter Betriebsrat kann sich intensiver mit den betrieblichen Belangen befassen als ein "arbeitender" Betriebsrat, der seiner ehrenamtlichen Tätigkeit mehr oder weniger nebenbei nachgeht. Ein Kompromiss scheint im Punkt Freistellungen kaum möglich, das hat SPD-Fraktionschef Struck bereits signalisiert. Bewegung sollte die Regierung dagegen bei der Belastung von Kleinbetrieben zeigen. Der Arbeitsminister will mehr Betriebsräte in mehr Betrieben. Das Ziel mag stimmen, der Weg ist falsch: Wenn der Aufwand in kleinen Betrieben größer wird, weil die Zahl der Betriebsratsmitglieder steigt, dann fördert das nicht die Einrichtung von Betriebsräten in Firmen, die bislang ohne Betriebsrat klarkommen.

Geradezu Teufelswerk ist für die Arbeitgeber der Paragraph 91 des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Betriebsräte konnten schon bisher über die "menschengerechte Gestaltung der Arbeit" bei betrieblichen Veränderungen mitbestimmen, wenn diese arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen offensichtlich widersprachen und die Arbeitnehmer in besonderer Weise belasteten. Offensichtlich und in besonderer Weise sind nun im Riester-Entwurf gestrichen - völlig unakzeptabel für die Arbeitgeber, denen Investitionsblockade schwant. Riester vergibt sich nicht viel, wenn er hier nachgibt und die Wörtchen offensichtlich und in besonderer Weise wieder einfügt. Auch deshalb, weil es für den betrieblichen Gesundheitsschutz bereits Mitbestimmung gibt.

Entsprechend zeichnet sich folgender Kompromiss ab: bessere Arbeitsbedingungen für Betriebsräte, auch durch die Absenkung von Schwellenwerten, und dafür bleiben die restriktiv wirkenden Begriffe offensichtlich und in besonderer Weise im Gesetz. Wenn Riester und Schröder allerdings den gegenwärtigen Entwurf durchziehen, wird der Bundeskanzler sich wohl einen neuen Wirtschaftsminister suchen müssen.

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