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Beugehaft: Terror in den Akten

Der Bundesgerichtshof will herausfinden, wer wirklich im April 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen hat. Aber Beugehaft für Ex-Terroristen? Erstmal soll der Verfassungsschutz seine Hinweise offenlegen.

Nun ist es so weit – das Jahr 1968 hat sein Jubiläum, mit allem, was dazugehört. Auf ein paar Sachen kann man sich freuen. Auf eines nicht: das Thema „Die 68er und die RAF“. Diese Untote. Ein Fall, der nicht zu Ende zu gehen scheint. Oder doch, in diesem Jahr?

Jetzt hat der Bundesgerichtshof Beugehaft für die drei Terroristen Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts verhängt. Er will herausfinden, wer wirklich im April 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen hat. Bis heute ist das ungeklärt.

Das vergangene Jahr, das Jahr 30 nach dem „Deutschen Herbst“ des RAF-Terrors, hat schon einiges dazu beigetragen, die Diskussion wiederzubeleben. Peter-Jürgen Boock, früher RAF-Mitglied, hatte im April ’07 erstmals erklärt, nicht der bis 2009 einsitzende Klar sei der Schütze auf Buback gewesen, sondern zu der Gruppe habe auch Stefan Wisniewski gehört. Der ist seit 1999 frei. Es folgten Ermittlungen gegen Wisniewski wegen eines Anfangsverdachts. Ende September dann kam der Antrag der Bundesanwaltschaft. Beugehaft soll jetzt – verweigerte – Aussagen zur Tatbeteiligung erzwingen. Außer Boock will keiner reden. Einspruch dagegen ist möglich, die Frist beträgt einen Monat, die Strafverteidiger werden ihn einlegen.

Einspruch gibt es aber auch aus der Politik, und zwar nicht zu Unrecht. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum findet den Vorgang peinlich und zweifelhaft, mit dem Argument: Solange der Staat selbst die Aufklärung behindere, wirke die Anordnung von Beugehaft nicht überzeugend. Wohl wahr. Bundesanwälte wussten lange Jahre vom Verdacht gegen Wisniewski. Und schon im Dezember ’07 hat die Bundesanwaltschaft selbst bedauert, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zum Terror von damals nicht herausgeben wolle. Ihre eigenen finden die Bundesanwälte wohl nicht mehr. Wisniewski soll aber 1980 vom Ex-RAF-Mitglied Verena Becker bei einer Befragung durch den Verfassungsschutz als Schütze genannt worden sein. Womöglich findet sich da noch mehr.

Oberster Dienstherr des Verfassungsschutzes ist Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Der lobt, dass die Strafverfolger nicht ruhen und alles rechtlich Mögliche tun. Rechtlich möglich ist Beugehaft. Aber auch geraten? Hören wir auf Michael Buback, den Sohn des Ermordeten. Er sagt, dass man bisher schon sehr skeptisch gewesen sei, was die Aussagen von Ex-Terroristen betrifft; bei Aussagen, „unter dem Druck von Beugehaft erzielt, wird man noch skeptischer“. Mit Recht. Zumal ganz und gar nicht sicher ist, dass einer in Beugehaft redet, nach Jahrzehnten des Schweigens hinter Gittern.

Buback begrüßt zugleich, dass „Bewegung“ in den Fall gekommen ist. Wieder mit Baum gesprochen: Es wäre in der Tat sehr recht, wenn jetzt in den Verfassungsschutz Bewegung käme. Lehnt Schäuble dessen Antrag auf Aktensperre (zum Zeugenschutz) ab, kann der Fall im 68er-Jubiläumsjahr vielleicht doch abgeschlossen werden. Mit seiner Aufklärung. Endlich.

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