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Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte April in einem Seniorenzentrum in Niedersachsen.

© dpa

Bevölkerungsrückgang: In Deutschland geht das Licht nicht aus

Dass es in Zukunft weniger Deutsche geben wird, ist kein Grund zur Panik. Denn global betrachtet wird die Menschheit so schnell nicht aussterben. Und auch bei uns wird der Schrumpfungsprozess Vor- und Nachteile haben.

Wie immer, wenn es um den Bevölkerungsrückgang geht, wurde auch beim zweiten Demografie-Gipfel der Bundesregierung am Dienstag wieder mit großen Zahlen operiert. „Sechs Millionen Arbeitskräfte weniger“ werde es 2025 in diesem Land geben, mahnte die Kanzlerin. Äußerungen wie diese transportieren Angst. Es ist die Furcht, dass wir weniger werden, ja, dass Deutschland auf der Weltkarte irgendwann irrelevant wird. Die Angst vor dem Untergang ist den Deutschen nicht fremd – und in der Demografie-Debatte wird sie politisch genutzt.

Dabei ist es natürlich richtig, dass in Deutschland mehr Kinder auf die Welt kommen sollten. Wobei sich die Untergangsszenarien im globalen Maßstab relativieren. So schnell stirbt die Menschheit nicht aus. Experten rechnen für Mitte des Jahrhunderts mit bis zu zehn Milliarden Menschen auf der Welt, das wären drei Milliarden mehr als jetzt.

Fragwürdig ist vor allem die Hysterie, mit der über die deutsche Schrumpfung gesprochen wird. Im Endeffekt bewirkt sie nämlich eine Ökonomisierung fast aller Lebensbereiche. Vor allem in zwei Punkten ist dies der Fall: im Bezug auf das Kinderkriegen und bei der Frage, wie lange ein Mensch arbeiten möchte. In beiden Fällen geht es um eigentlich höchst individuell zu treffende Entscheidungen. Doch die Angst vor dem Aussterben hat den gesellschaftlichen Normierungsdruck steigen lassen: Als politisch wünschenswertes Modell gilt mehr denn je das akademisch hoch qualifizierte Doppelverdienerehepaar in Vollzeitjobs mit zwei oder besser noch drei Kindern. Umgekehrt gilt es inzwischen als unschick, wenn jemand zugibt, dass er gerne mit 65, oder vielleicht sogar früher, in Rente gehen und seinen „Lebensabend“ (vermutlich auch ein aussterbender Begriff) genießen möchte.

Wenn es um Zuwanderung geht, wird ebenfalls der Eindruck erweckt, als lasse die demografische Falle keine Debatte mehr zu: Sobald das Wort „Fachkräfte“ fällt, scheint nicht einmal mehr die Frage erlaubt zu sein, ob alle Menschen jederzeit flexibel und örtlich ungebunden sein möchten – und ob eine rein wirtschaftlich motivierte Migration nicht auch zum Gefühl von Heimatlosigkeit bei allen Beteiligten führen kann.

Sicherlich ist es ein probates Mittel von Politik, zunächst einmal Panik zu schüren, um dann später zumindest in kleinen Schritten voranzukommen. Eine ähnliche Strategie lässt sich seit Jahren in der Klimafrage beobachten, wo immer neue Horrorszenarien am Ende dazu führen, dass der Absatz von Energiesparlampen steigt.

Ein bisschen mehr Gelassenheit würde Deutschland in der Demografie-Frage trotzdem guttun. Denn auch unsere Hauptexportmärkte werden schrumpfen – am deutlichsten wird dies in China zu beobachten sein. Umgekehrt gibt es Hinweise darauf, dass sogar in westlichen Industriestaaten die Geburtenraten wieder steigen können. Deutschlands Schrumpfung ist keine Frage der nationalen Ehre. Eher geht es darum, einen Prozess zu managen, der Vor- und Nachteile hat: Es wird mehr pflegebedürftige Alte geben, dafür gibt es Vollbeschäftigung bei den Jungen. Und deren Produktivität wird nach allem, was man weiß, weiter steigen – vielleicht lässt sich davon sogar eine vernünftige Rente finanzieren. Kein Grund zur Panik also.

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