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Bildungspolitik: Neues Amt macht neue Meinung

Annette Schavan fordert eine nationale Bildungspolitik. Die hat sie aber selbst verhindert.

Von Antje Sirleschtov

Manchmal erkennt man den Fortschritt ja nicht sofort. Um sein Leuchten überhaupt wahrnehmen zu können, muss man erst noch einmal von der Trübnis der Vergangenheit eingeholt werden.

Ein gemeinsames Schreiben der im Bund und in den von den Liberalen mitregierten Bundesländern für Bildungspolitik FDP-Verantwortlichen hat der Erkenntnis in dieser Weise nun auf die Sprünge geholfen. Darin wehren die FDP-Politiker jede Diskussion darüber ab, ob eine Neuordnung der Kooperationsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen im Bildungsbereich zu rascheren Erfolgen beim Aufbau leistungsfähiger Schulen sorgen könnte. Annette Schavan, CDU-Bundesbildungsministerin, hat eine solche Debatte unlängst angestoßen. Der Wettbewerb, so argumentieren ihre FDP-Kritiker nun, sei der einzige Garant für bessere Bildung. Als ob der „Wettbewerb“ der 16 Bundesländer um das beste Schulsystem in den vergangenen Jahren dazu geführt hätte, dass Deutschland stolz auf den Zustand seiner Schulen und die Ergebnisse seiner Bildungsarbeit sein könnte. Lächerlich. Und gefährlich obendrein, wenn die Bildungsfrage zum Fanal für den Föderalismus aufgebockt wird.

Auf die – leider sehr späte – Erkenntnis der obersten Bildungspolitikerin im Land lohnt es sich allerdings umso mehr einen Blick zu werfen. Schavan gehörte noch vor Jahren als Kultusministerin in Baden-Württemberg zu den heftigsten Befürworterinnen des Bildungsföderalismus. Wenn der hessische CDU-Regierungschef Roland Koch sie seinerzeit nicht ausgesprochen hätte: Auch von Schavan hätte die Drohung stammen können, dass die Finanzierung des rot-grünen Ganztagsschulprogramms ein für alle Mal der letzte Versuch des Bundes gewesen sein wird, sich in die Bildungshoheit der Länder einzumischen. Danach, wir erinnern uns, rauschte der schwere Vorhang der Föderalismuskommission nieder: der Bund verlor jedes Mitsprache- und Finanzierungsrecht für die Schulbildung.

Nun hat Schavan offenbar erkannt, dass Verantwortungannehmen und Handeln zwei Seiten einer Münze sind. Weshalb sie nun dafür wirbt, das Grundgesetz erneut zu ändern. Man könnte auch sagen: den Fehler früherer Jahre einzugestehen und rückgängig zu machen. Weil mehr Bildungsgerechtigkeit in der Verantwortung aller liegt, will Schavan den Schulen in Deutschland nicht nur auf verschämten Wegen eine Milliarde Euro zukommen lassen, sondern bei der Verwendung ein Wörtchen mitsprechen dürfen.

Wenn auch bereits der rasche Widerspruch der föderalen FDP-Wettbewerbspolitiker erahnen lässt, wie schwer es sein wird, gegen die Widerstände eine solche Grundgesetzänderung herbeizuführen. Einen ernst zu nehmenden Versuch wünschte man der Bildungsministerin. Denn erst in dem Augenblick, in dem auch der Bund ein Stück der Verantwortung für die Bildung unserer Kinder erhält, dürfen wir darauf hoffen, dass das wichtigste Thema der Zukunft des Landes dort angekommen sein wird, wo es hingehört: in den Bundestag.

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