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Meinung: Bis zur nächsten Volkspartei

Hamburg I: Die Grünen sind nicht nur als Großstadtpartei auf der Straße des Erfolgs

Das war eben unser Projekt 18, sagte einmal ein gut gelaunter Spitzengrüner: Siebzehn Wahlen in Folge haben wir verloren, bei der entscheidenden 18., bei der Bundestagswahl, haben wir gewonnen. Nach Hamburg, nach diesem zweistelligen Ergebnis, kann man den Gedanken weiterspinnen. Die Idee, an der sich die FDP so grotesk überhoben hat, darf man für die grüne Partei ruhig einmal denken: Wird aus den Öko-Träumern von damals eine kleine Volkspartei, das erste Beispiel für einen neuen Parteientypus in der politischen Landschaft?

Zugegeben: Der Stadtstaat Hamburg ist ein ideales Biotop für die Grünen, wie andere große Städte. Aber ihr triumphaler Erfolg in der Hansestadt ordnet sich ein in eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte. Seit der Bundestagswahl erweisen sich die Grünen bei Umfragen und Wahlen als Zuwachsmodell. Ihr politisches Spitzenpersonal ist nicht im Gerede, obwohl sich erkennbar ein Generationswechsel vollzieht. Fischers Götterdämmerung vollzieht sich ruhig, und seine Enkel fechten keine öffentlichen Nachfolgekämpfe aus. Selbst da, wo sie am Alten hängen – siehe die nicht enden wollende Diskussion um die Trennung von Amt und Mandat –, wächst aus den Niederlagen noch etwas Gutes: Die Grünen haben mit Reinhard Bütikofer endlich einen echten Vorsitzenden neben dem heimlichen. Die Grünen erweisen sich, siehe Hanau, als konfliktfähig, ohne die Bundesregierung oder sich selbst damit auseinander zu treiben. Immer noch gelten sie – unverdient – einem großen Teil der Öffentlichkeit als Reformmotor, bleiben aber vom Vertrauensverlust verschont, der die SPD an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.

Unter Sozialdemokraten gibt es bis heute eine Sichtweise, die der grünen Partei nur die Rolle der verlorenen Kinder zuschreibt, die „eigentlich“ zur SPD gehören. Wer sich die rot-grüne Bundesregierung von heute ansieht, wird darin ein seltsames Körnchen Wahrheit entdecken. Rot-Grün wird längst nicht mehr vom gemeinsamen „Projekt“ zusammengehalten, von dem man links von der Mitte in den 80er und 90er Jahren träumte. Die Koalition steht nicht mehr vor Atomausstieg und Lebenspartnerschaft, sondern vor Auslandseinsätzen und Sozialstaatsumbau. Es sei die „kulturelle Differenz“ gewesen, die beim zweiten Bundestagswahlerfolg den Ausschlag gegeben hat, sagen übereinstimmend grüne und sozialdemokratische Wahlstrategen. Auf die Mühsal des Jahres 2004 kann man diese Erkenntnis noch anwenden: Es regiert sich in schweren Zeiten besser, wenn Denkweise, Attitüde, Tradition der Partner zusammenpassen, weil man sich kennt. Aber man kann es auch so sehen: Diese Ehe lebt von Erinnerungen. Nur selten gelingt es, so etwas wie eine rot-grüne Identität gegen das bürgerliche Lager ins Feld zu führen, das sich bei der Bundespräsidentenwahl formiert. Joschka Fischers Witterung ist dafür immer noch die beste. Wenn er Angela Merkel wegen der Kopfpauschale ins Viktorianische Zeitalter schickt, dann war das auch der Versuch, die kulturelle Differenz zwischen den Lagern wiederzubeleben.

Aber weit trägt das nicht mehr. Der Hamburger Wahlkampf hat ganz deutlich gemacht, dass die koalitionspolitische Emanzipation der Grünen von der SPD überfällig ist. Das Ergebnis macht die Frage nach Schwarz–grün in Hamburg überflüssig; die Botschaft war trotzdem deutlich: Mit einem Christdemokraten wie von Beust könnten die Grünen durchaus regieren.

Die erste schwarz-grüne Koalition oberhalb der Kommunalebene wird kommen. Sie muss, ob in Nordrhein-Westfalen oder anderswo, nur ein taktisches Problem lösen: Wie kann der Eindruck gemildert werden, dass Schwarz-Grün zugleich der Abgesang auf die bestehenden rot-grünen Koalitionen ist? Ein grundsätzliches gibt es auch, aber das ist für die Grünen nicht lösbar. Anders als Rot-Grün wird Schwarz-Grün noch nicht einmal in den Träumen ein Projekt sein, auf das sich Hoffnungen richten. Es ist einfach gut für die politische Stabilität des Landes, wenn die dritte, die kleine Volkspartei mit SPD und CDU koalieren kann.

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