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Meinung: Bittere Vernunft

Deutschland und Frankreich stimmen der zweiten Irak-Resolution zu – einem Kompromiss, der niemanden zufrieden stellt

Zwei Monate hat es gedauert, bis sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates endlich auf eine zweite Irak-Resolution geeinigt haben. Auslöser der amerikanischen Initiative waren der verheerende Anschlag auf die UN-Mission in Bagdad und ein weit verbreitetes Gefühl in der amerikanischen Öffentlichkeit, dass sich die USA um mehr Unterstützung beim Aufbau des Irak bemühen sollten. Nun ist es zu einem Kompromiss gekommen, der niemanden richtig zufrieden stellt.

Die USA nicht, weil die erhoffte Entlastung wohl ausbleiben wird. Wichtige westliche Staaten sind weiter nicht bereit, Truppen zu stellen oder substanzielle Aufbauhilfe zu leisten. Auch die französische und die deutsche Regierung dürften nicht zufrieden sein, löst die neue Resolution doch nicht ein, was Paris und Berlin immer gefordert haben: Weder wird es eine Oberhoheit der UN über den Irak geben, noch einen Termin für die Machtübergabe an die Iraker. Zwar erhält Kofi Annan mehr Mitsprache bei der Ausarbeitung der irakischen Verfassung, ansonsten bleibt die Rolle der UN vage. Franzosen und Deutsche haben am Ende wohl nur zugestimmt, weil die letzten Korrekturen der USA zumindest die Chinesen und teilweise auch die Russen überzeugt haben. Und weil die USA ohnehin eine kleine Mehrheit für ihre Resolution zusammenbekommen hätten.

Die Kritiker standen vor der Wahl, prinzipientreu zu bleiben oder einzusehen, dass der Verhandlungsspielraum ausgereizt war. Eine Enthaltung Deutschlands und Frankreichs hätte eine zweite Resolution nicht verhindert, diese aber in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt. Daher ist es zu begrüßen, dass Berlin und Paris einlenken. Alles andere wäre unkonstruktiv gewesen – und hätte den Irakern mehr geschadet als genutzt.

Die Resolution ist so vor allem ein Erfolg des US-Außenministers Colin Powell. Eine Zeit lang hatte es so ausgesehen, als würden die USA die Bemühungen um eine Irak-Resolution ganz aufgeben. Dass Powell dann grünes Licht aus dem Weißen Haus für einen weiteren Kompromissvorschlag bekommen hat, lag an innenpolitischen Erwägungen. Präsident Bush weiß, dass der Irak die größte Bürde seiner Präsidentschaft ist. In der Öffentlichkeit sollte da nicht der Eindruck entstehen, dass die Hardliner in der Regierung erneut eine Einigung mit der internationalen Gemeinschaft verhindern würden. Ohne zweite UN-Resolution drohte auch die am 23. Oktober beginnende Geberkonferenz in Madrid zum Fiasko zu werden. Und so mussten die Neokonservativen einige Kröten schlucken. Immerhin muss die irakische Übergangsregierung bis zum 15. Dezember einen Zeitplan erstellen für die Ausarbeitung einer Verfassung und darauf folgende Wahlen. Ebenso klar ist, dass mit der Wahl einer neuen irakischen Regierung auch die amerikanische Autorität im Irak ihr Ende finden wird. Die Resolution setzt also einen Prozess in Gang, der nicht mehr ausschließlich in der Hand der Amerikaner liegt.

Trotz der Einigung bleibt auf beiden Seiten des Atlantiks Bitterkeit zurück. In Amerika hatte man nicht erwartet, dass die Kriegsgegner sich erneut so in die Irakfrage verbeißen würden. Manche Kommentatoren witterten schon einen diplomatischen Abnutzungskrieg mit dem Ziel, Bushs Wiederwahl zu gefährden. Auf der anderen Seite bleiben die Alteuropäer dabei, dass auch die zweite Resolution die Ursünde des amerikanischen Krieges gegen den Irak nicht heilen kann. Die transatlantische Kluft bleibt bestehen.

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