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Meinung: Blutrausch im Ersten

Verletzte Sportler, die kämpfen, taugen zu Helden. Verteidiger Wolfgang Weber spielte 1965 für den 1.

Verletzte Sportler, die kämpfen, taugen zu Helden. Verteidiger Wolfgang Weber spielte 1965 für den 1. FC Köln gegen Liverpool mit gebrochenem Wadenbein bis zum Schlusspfiff; Torwart Bert Trautmann hielt 1956 mit Genickbruch für Manchester City den Pokalsieg fest. Allerdings geht es beim Fußball nicht darum, andere zu verletzen, von Ausnahmen – Zidane – abgesehen. Beim Boxen aber geht es darum: platzende Lippen und Augenbrauen, gequetschte Milz, Leber und Hirnzellen, berstende Knochen – zielführend und deshalb erwünscht. „Boxen ist kein Kegeln“, sagt Uli Wegner, Trainer von Artur Abraham. Boxen hat auch mehr Zuschauer als Kegeln, wenn es im Fernsehen kommt. In 35 Ländern war zu sehen, wie am Samstagabend dem Boxer Abraham das Blut aus dem Mund troff, auf die Seile, den Boden, wie sein Gesicht schief und schiefer wurde, wie Edison Miranda Runde auf Runde versuchte, den gebrochenen Kiefer seines Gegners weiter zu zertrümmern; 4,36 Millionen Menschen waren bei der ARD dabei, sie hörten Durchhalteparolen des Reporters, bestaunten den reflexartig zuckenden, geschwollenen Gewebeballon, der mal ein Kopf war. Alles rot, das Hemd des Ringrichters, der auf Weisung des Supervisors nicht abbrechen durfte, das Hemd des Trainers, der nicht abbrechen wollte. Es ertönte der letzte Gong, und Abraham war wieder Weltmeister. Toll. Öffentlich-rechtliche Körperverletzung, live und in Farbe. Aber warum läuft das unter Sport? Und was hat das mit dem Versorgungsauftrag der ARD zu tun? Da ist man wirklich mehr als bedient. lom

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