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Die Kanzlerin vertraut ihrem Wirtschaftsminister noch (sagt sie). Was sie ihm hier, vor der Kabinettssitzung am Mittwoch, wohl gerade vertrauensvoll zuflüstert? Möglicherweise ein Hinweis auf die Umfragewerte der FDP, die nach jetzigem Stand gute Chancen hat, wieder in den Bundestag einzuziehen. Wobei Sigmar Gabriel das wahrscheinlich weniger vergnügt aufgenommen hätte.

© Maurizio Gambarini/dpa

BND-Affäre: Sigmar Gabriel bekommt kalte Füße

Noch vor wenigen Tagen polterte es in der Koalition. Der Grund: Die BND-Affäre. Mittlerweile ist es wieder friedlich. Der Grund: Die Umfragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Jede Gemeinheit braucht einen, der sie ausspricht. Kaum hatte die SPD am Wochenende in der BND/NSA-Affäre die Tonlage gegenüber der Kanzlerin noch einmal verschärft, warnte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs den Partner vor dem Bruch der Koalition. „Wenn die SPD bei ihren Umfragewerten auf Neuwahlen hinarbeiten möchte, kann ich nur viel Glück wünschen“, sagte er sarkastisch. In der Union blieb Fuchs mit seiner öffentlichen Warnung alleine. Der große Partner hat kein Interesse daran, sich Schlachten mit dem kleineren zu liefern. Die Wähler schätzen keinen Streit in der Regierung. Und Angela Merkel will nicht mit neuen Schlagzeilen die Aufmerksamkeit für die Abhöraffäre hoch halten.

In der Union fragen Sie sich, wohin Sigmar Gabriel steuert

Nur einer in der Union redet darüber, aber alle grübeln darüber, wo der SPD-Chef hinsteuert mit seinem Kurs. Vehement hat Gabriel bestritten, dass ihn andere Motive treiben als die, die er genannt hat: als Wirtschaftsminister die deutschen Unternehmen vor Spionage zu schützen; als Parteichef die SPD vor dem Sumpf zu bewahren, den andere zu verantworten haben. Es sei „Kokolores“, wenn ihm unterstellt werde, es gehe ihm um Vorteile in der Koalition oder eine Schwächung der Kanzlerin, hat er beteuert. Wer aber wollte glauben, dass sich Gabriel nun furchtbar grämt, wenn er die Umfragen liest? Danach trauen fast zwei Drittel der Deutschen Merkel nicht mehr zu, dass sie sich ernsthaft um Aufklärung bemüht. Womöglich ist aber inzwischen die Dynamik der Affäre längst gefährlicher geworden als die Motive des Vizekanzlers. Kaum hatten die Sozialdemokraten scharf in Richtung Kanzlerin geschossen, trat Gabriel Anfang der Woche auf die Bremse. Hatte er vorher die weitgehende Offenlegung der Liste gefordert, sprach er nun von einer gemeinsamen Lösung für das Problem. Der Hintergrund ist: Nach all dem Ärger über die Blockade der Energiepolitik und die dauernden Attacken auf den Mindestlohn wollte Gabriel seiner Partei mit der Abgrenzung von der Kanzlerin Selbstbewusstsein zurückgeben. Das ganz große Risiko, nämlich den Bruch der Koalition, wollte er abwenden, als es ernst wurde.

Die SPD und besonders Sigmar Gabriel scheuen das Vabanquespiel

Doch wie so oft in der Politik spielen Faktoren eine Rolle, die schwer vorauszusehen waren: Anfang der Woche glaubte die SPD fest, der Druck aufs Kanzleramt habe gewirkt, die Spähliste werde zugänglich werden. Am Ende der Woche aber steht eine solche Zusage immer noch aus – und die Sozialdemokraten können nur ihre Forderung nach Einsicht wiederholen. Nun wird klar, wie groß das Risiko ist, das der SPD-Chef einging, als er die Herausgabe zum Großziel erklärte: Verweigert Merkel die Liste, muss Gabriel entweder zurücktreten oder die Koalition aufkündigen, ohne eine große Machtchance zu haben. Mit Linkspartei und Grünen Merkel durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen, wäre ein macht- und staatspolitisches Vabanquespiel, das er scheuen muss. Und auch die Chancen der SPD bei Neuwahlen sind schwer zu kalkulieren.

Viel spricht dafür, dass Angela Merkel aus dieser Affäre nicht als der große Verweigerer von Aufklärung hervorgehen will. Aber darin liegt noch keine Garantie, dass Gabriel am Ende nicht doch sein eigenes Machtspiel konsequent zu Ende führen muss. Das Wort „Staatsaffäre“, das er für die Abhöraktionen schon geprägt hat, würde erst dann wirklich aktuell.

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