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Londons Bürgermeister Boris Johnson mit Fahrrad und Helm.

© REUTERS

Boris Johnson: "Fuck off and die!": Radelnder Bürgermeister von London beschimpft Taxifahrer

Radler und Autofahrer verstehen sich nicht. Den jüngsten Beweis liefert Boris Johnson, Londons Bürgermeister. Die Queen ist not amused, stellt unser Kolumnist Helmut Schümann fest und erkennt, dass Karl Marx doch recht hat.

Und Karl Marx hat doch recht. Dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, wird jeder bestätigen, der in Berlin oder anderswo als bilateraler Verkehrsteilnehmer unterwegs ist. Unter einem bilateralen Verkehrsteilnehmer muss man sich ein Zwitterwesen vorstellen, in dessen Brust, ach, zwei Seelen wohnen, zum einen die Autofahrerseele, zum anderen die Fahrradfahrerseele. Die beiden Seelen bekämpfen sich, mitunter bis aufs Messer, sie beschimpfen sich, sie verfluchen sich, sie pöbeln sich an.

Sitzt der bilaterale Verkehrsteilnehmer zum Beispiel in seinem Auto, wird er automatisch zum Fahrradfahrerhasser und schickt den Kampfradlerschweinen Flüche hinterher, dass es nur so eine Art ist. Steigt derselbe Mensch dann auch mal aufs Velo, schlägt die Stunde der Fahrradfahrerseele. Dann werden alle Autofahrer zu Umweltsäuen, die selbst so kurze Strecken wie vom Stutti bis zur Wilmersdorfer Straße mit der Dreckschleuder zurücklegen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, mal das Autofahrersein, mal das Radlersein. Ich weiß, wovon ich rede, ich bin so ein zwitteriger bilateraler Verkehrsteilnehmer.

Man sollte sich allerdings hüten, der jeweiligen Seele zu viel Freiheiten zu erlauben, ihr das Rederecht verweigern und sie im Zaum halten. Zu schnell geschimpft, kann zu früh geschimpft sein und in die Hose gehen.

Ein Beispiel: Da wird ein Radler von, sagen wir einem kleinen, schmutzigen, roten Seat Arosa schnittig überholt, woraufhin die Radlerseele anfängt, übelst zu fluchen. Und dann stehen kleines, rotes Auto und fluchende Seele an der nächsten Ampel nebeneinander und aus kleinem, roten Auto strahlt die schöne Fahrerin, und die Radlerseele verflucht sich selbst.

Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.
Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Wenn jetzt nächste Woche die Queen zu Besuch kommt, kann sie ein Lied davon singen, wohin es führt, wenn der Radlerseele das Herz übergeht. Boris Johnson, ihr Statthalter und Bürgermeister von London, hat nämlich jetzt mächtigen Ärger. Johnson, auch sonst nicht gerade auf den Mund gefallen, war dieser Tage mit dem Rad unterwegs in seiner schönen Stadt. Mit Helm, also umsichtig. Dann kam ihm ein Taxi in die Quere, eins von dieser Gesellschaft, die derzeit überall auf der Welt den ehrbaren Taxiinnungen das Leben schwer machen will. Johnsons Radlerseele schäumte über und schrie „Fuck off and die!“, was wir mit „Verpiss dich und stirb!“ übersetzen wollen. Bei aller Archaik, schön ist das nicht. Die Queen ist not amused.

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