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Brandenburg: Ein Fall von Hochmut der Regierenden

Die Strategen in der SPD und der Linkspartei müssten eigentlich mitbekommen haben, dass der Brandenburger Boden unter ihnen seit Monaten in Bewegung ist. Der Stasi-Schatten bleibt ein Problem der rot-roten Koalition.

Sie haben es nicht verstanden. Die Strategen in der Brandenburger SPD spüren immer noch nicht, dass sie dem langmütigen Wahlvolk in der Mark ein paar Erklärungen schuldig sind. Da setzt die Politik eine Kommission ein. Die soll einen unbefangenen Blick auf die frühen Jahre im freien Brandenburg werfen, auf die Jahre, in denen Manfred Stolpe zum Landesübervater wurde: Stolpe personifizierte das Prinzip „Wir-nehmen-alle-mit“ auf dem Brandenburger Weg. Und er garantierte in Person, dass niemandem seine Verwurzelung in der DDR und in deren staatlichen Einrichtungen bis hin zum Ministerium für Staatssicherheit zum Nachteil gereichen würde – eingeschlossen der Ministerpräsident höchstselbst. Dann stellt die Kommission etwas fest, das außerhalb der Mark Brandenburg unbestritten ist – dass Stolpe und elf andere Mitglieder des Landtags nach damals aufgestellten Kriterien eigentlich ihre Mandate hätten niederlegen müssen. Und die Reaktion im Jahr einundzwanzig nach dem Untergang der DDR und der Neugründung Brandenburgs besteht in nichts anderem als einer Art Wutausbruch des SPD-Fraktionschefs. Das ist schon seltsam.

Um es deutlich zu sagen: Es geht nicht um eine späte und anmaßende Bewertung der möglichen moralischen Schuld Manfred Stolpes, die er durch zu innige Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit auf sich geladen haben könnte. Es geht auch nicht um Stolpes hingebungsvolle Arbeit an der „Identität“ Brandenburgs und an seine altmodisch-väterlichen Versuche, Menschen die Hand zu halten, die ein politisches Erdbeben hinter sich hatten. Es geht um die SPD von heute und ihren Koalitionspartner, die Linkspartei.

Die Strategen in beiden Parteien müssten eigentlich mitbekommen haben, dass der Brandenburger Boden unter ihnen seit Monaten in Bewegung ist. Druck hat sich aufgebaut, in der Polizei, in der Justiz. Immer geht es um Stasi-Geschichten: um Polizisten, die trotz ihrer Vergangenheit Karrieren machten; um Richter, an deren Befähigung zum Richteramt stasibedingte Zweifel angebracht gewesen wären. Etwas Ungeklärtes, Ärgerliches schwebt da über manchen Lebensläufen – vorzugsweise von Menschen, deren Gehälter die Steuerzahler finanzieren. Schon deshalb ist diese Vergangenheit, die nicht vergehen will, ein Politikum.

Noch etwas anderes macht den Stasi-Schatten zum Problem dieser lust- und inspirationslos vor sich hin machenden rot-roten Koalition. Es ist die Arroganz, die aus dem Ärger über die Kommission spricht – dieses „Es sind immer noch wir Sozialdemokraten, an der Macht seit zwanzig Jahren, die hier die Geschichtspolitik bestimmen.“ Es war für die politische Hygiene und das demokratische Grundverständnis in Brandenburg ganz hilfreich, dass es mehrere Stasi-Debatten gab, als Matthias Platzeck nach der Wahl 2009 die Koalition mit der Linkspartei einging. Damals ging es um die Linkspolitiker Kerstin Kaiser, Thomas Nord, auch um Hans-Joachim Scharfenberg – Leute, denen man zu DDR-Zeiten vielleicht nicht unbedingt ausgeliefert sein wollte, die aber in der Demokratie offenbar gelernt hatten. Viel wichtiger war (schon damals und erst recht heute, mit Blick auf den Krach um die Kommission) Heinz Vietze, früher SED-Bezirkschef von Potsdam, dann einer von Platzecks wichtigsten Gesprächspartnern beim Sondieren der Verfassung der Linkspartei. Platzeck gab sich damals beeindruckt von der Art, wie sich Vietze angeblich seiner Vergangenheit gestellt hatte. Das reichte.

Hatte die interessierte Öffentlichkeit kein Recht darauf, an diesem Prozess und an Platzecks Erkenntnis teilzuhaben? Viele Jahre lang saß Vietze im Landtag, wie andere Menschen mit Stasi-Vergangenheit auch. Sie saßen da als Volksvertreter. Doch was das Volk über seine Vertreter zu denken hatte, wollten diese lieber nicht der freien Meinungsbildung überlassen.

Man mag dem Volk in Brandenburg mangelnden Erkenntniswillen vorhalten und der Opposition im Landtag mangelnde Kernigkeit. Doch der Hochmut, mit dem die Regierenden dem Volk sagen, wem es zu vertrauen hat, der erinnert an autoritäre Zeiten.

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