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Bremen hat gewählt: SPD und Grüne - die neue große Koalition

Der Erfolg der SPD ist wohl nur durch eine merkwürdig selbstgenügsamen Gemütslage der Bremer zu erklären - und durch Jens Böhrnsen. Für die CDU bleibt nur die Erkenntnis: Sie verliert an Boden.

Um 16-Jährige ins Wahllokal zu locken, bedarf es offenbar mehr. Etwa die Perspektive auf einen Wechsel. Den aber wird es in Bremen nicht geben: Die SPD stellt weiterhin den Bürgermeister – wie seit 66 Jahren. Obwohl erstmals schon 16-Jährige ein Landesparlament wählen durften, ging die Wahlbeteiligung zurück; das komplizierte neue Wahlsystem kam hinzu.

Das erneute Mandat für die SPD erklärt sich wohl nur aus einer merkwürdig selbstgenügsamen Gemütslage der Bremer. Schließlich hat es die rot-grüne Koalition seit 2007 nicht annähernd geschafft, die Probleme zu lösen: Das kleinste Bundesland ist bundesweit abgehängt, die Verschuldung pro Kopf noch vor Berlin die höchste der Republik, die Arbeitslosigkeit so hoch wie nur in Ostdeutschland, jedes dritte Kind wächst in Armut auf, und bei Pisa lag Bremen zweimal auf dem letzten Platz. Trotzdem konnte die Ökopartei deutlich zulegen, obwohl die grüne Spitzenkandidatin und Finanzsenatorin Karoline Linnert mit der Haushaltssanierung scheiterte. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bremen – ohne Grüne lässt sich keine Landesregierung mehr bilden, ist die Bilanz des Superwahljahrs. Die FDP wird hingegen nach dem Abschied der Liberalen aus der Bürgerschaft beschäftigen, ob der Führungswechsel zu spät kam, um Wirkung zu zeigen – oder selbst Parteichef Rösler die FDP nicht voranbringt.

Es ist wohl vor allem Bürgermeister Jens Böhrnsen geschuldet, dass die Bremer die SPD erneut zur stärksten Kraft machten. Der seit 2005 regierende Böhrnsen hat zur Popularität seines Vorgängers Henning Scherf aufgeschlossen. Vor allem die souveräne Art, wie er nach dem Rücktritt von Horst Köhler als Ersatz-Bundespräsident einsprang, hat dem besonnenen und leisen Bürgermeister viel Zustimmung in Bremen eingebracht. Den Christdemokraten ist es dagegen nicht gelungen, Alternativen zu weisen und ihren seit 2003 andauernden Niedergang zu stoppen. Reibungsfläche fehlte dem Wahlkampf auch, weil die CDU sich in der abgelaufenen Wahlperiode mit der rot-grünen Koalition auf eine Schulreform einigte. Dass in Bremen künftig eine große Koalition neuen Typs regiert, wird die CDU zusätzlich schmerzen. Und die Bundes-CDU muss sich eingestehen, dass sie eine Modernisierungsstrategie braucht, um in den großen Städten als Volkspartei nicht immer mehr Boden zu verlieren.

Die Linkspartei, die mit besonderer Spannung auf Bremen schaute, wo sie 2007 erstmals in ein westdeutsches Länderparlament einzog, hat nur eine Atempause gewonnen. Auch wenn sie knapp im Parlament verbleibt, wird sich die Krise der Partei weiter verschärfen, weil ihr Stimmenanteil sich gegenüber dem triumphalen Ergebnis bei der Bundestagswahl 2009 mehr als halbiert hat. Abgehängt von der Debatte um den Atomausstieg und dem ökologischen Umbau der Industriegesellschaft kann sie mit ihrem Kernthemen – gegen Sozialabbau und Kriegseinsatz – nicht punkten. Um das Projekt Westausdehnung zu retten, wird der Druck auf Oskar Lafontaine wachsen, wieder ins Geschirr zu gehen.

Wohltaten wird Rot-Grün in Bremen nicht verteilen können, sondern Zumutungen. Das notleidende Land hat sich kürzlich gegenüber dem Bund verpflichtet, statt eines Defizits von jährlich einer Milliarde Euro bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Verteilungsspielraum Null – da kann es selbst mit der Bremer Genügsamkeit bald vorbei sein. Vielleicht erinnert man sich dann wieder des ironischen Wahlspruchs der Grünen: „Nicht ganz so scheiße wie die anderen“.

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