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Meinung: BRIEFE AUF DEM KONVENT (6) Von A zu B zum Kompromiss

Von Peter Glotz Man muss begreifen: Der Konvent zur Zukunft Europas ist in seiner ersten Phase. Noch führen die 105 Delegierten von 15 Mitgliedstaaten und 13 Beitrittsländern Grundsatzdebatten.

Von Peter Glotz

Man muss begreifen: Der Konvent zur Zukunft Europas ist in seiner ersten Phase. Noch führen die 105 Delegierten von 15 Mitgliedstaaten und 13 Beitrittsländern Grundsatzdebatten. Jeder hat irgendeinen Vorschlag, den er für besonders wichtig hält. So muss das auch sein. Aber man sollte auch wissen, dass das nicht ewig so bleiben kann. Irgendwann muss Butter bei die Fische. Irgendwann müssen sich die Vorschläge zu einem Ganzen fügen.

Beispiel: Tony Blair. Der will einen hauptamtlichen Ratspräsidenten im Rang eines früheren Regierungschefs. Der Kommissionspräsident wäre im Vergleich zu diesem Kaiser oder Papst die Numero zwo. Passt das zusammen mit einer Europäischen Kommission, die das Initiativmonopol in der Europäischen Union hat und die von dem Europäischen Parlament gewählt würde? Nein.

Nun kann man Blairs Gedanken natürlich weiterspinnen. Die Briten tun das auch; und andere mit ihnen. Lasst uns die EU demokratisch legitimieren, sagen sie. Also weg mit dem Monopol der Kommission auf Initiativen zu Verordnungen, Richtlinien oder Empfehlungen! Hat nicht jedes Parlament ein Initiativrecht? Also gebt ein solches Initiativrecht auch dem Europäischen Parlament. Leise fügen sie dann hinzu: Wenn das Parlament ein Initativrecht hat, braucht natürlich auch der Rat eines; und schon wäre die EU total verwandelt. Die Kommission wäre nicht mehr Hüterin der Verträge und Vollzugsorgan in einem, sondern die nachgeordnete Administration eines intergouvernemental bestimmten Staatenverbundes mit beschränkten Aufgaben und beschränkter Haftung. Harmlos klingende Einzelideen hätten Konsequenzen bis ins siebte Glied.

Das Gegenbeispiel sind die "Vollparlamentarisierer", wie manche von uns Konventsmitgliedern sie liebevoll-ironisch nennen. Die wollen – ganz anders als Blair und seine Intergouvernementalisten – die Europawahl zum Angelpunkt des politischen Prozesses in der Europäischen Union machen. Der Präsident der Kommission wird, sagen sie, vom Volk –oder vom Parlament – gewählt. Dann aber ist die Entscheidung gefallen. Die Kommission wird zur normalen Regierung und ist dann eben links oder rechts, je nachdem, wer die Wahlen gewonnen hat. Hielte das ein Europa von 25 Mitgliedsstaaten aus?

Ich fürchte: Nein. Die Durchpolitisierung der Europäischen Kommission würde diese zum Zankapfel machen. Niemals könnte sie mehr die Wettbewerbspolitik steuern; man bräuchte ein unabhängiges Europäisches Kartellamt, wie es eine unabhänigege Europäische Zentralbank gibt. Niemals könnte eine durchpolitisierte Kommission das alleinige Recht auf politische Initiativen haben. Sie brauchte das Widerspiel des Parlaments wie jede nationale Regierung. Aber ist Europa reif für das Ping-Pong zwischen Regierung und Opposition, rechts und links? Das kann man bezweifeln.

Wie immer wir uns entscheiden: Wer A sagt, ist bald bei B und C. Noch können wir unbeschwert einzelne Vorschläge herausschmettern. Bald aber müssen wir die Vorschläge in eine logische Reihe zwingen. Dann kommt die fürchterliche Zeit der Kompromisse. Sie beginnt spätestens im Nachsommer.

Der Autor ist Sozialdemokrat und Mitglied im EU-Konvent.

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