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Meinung: Bringt die Soldaten heim!

Die Bundeswehr muss abziehen – vom Balkan und aus Afghanistan Von Michael Wolffsohn

Raus aus Afghanistan!“ Das wäre schon lange vor der „Schädelschande“ deutscher Soldaten das Gebot der Stunde gewesen. Auch die übrigen Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen grundlegend überdacht werden. Es reicht nicht hineinzugehen. Man muss wissen, für welches politische Ziel man wo wie lange bleibt und vor allem, wie man wieder herauskommt.

Kein Soldat der Welt ist ausgebildet, um zivile, politisch-administrative Strukturen aufzubauen. Deshalb waren alle ausländischen Soldaten nicht nur in Afghanistan von Anfang an strukturell überfordert. Sie müssen und werden politisch scheitern, auch beim außengesteuerten Neuaufbau des Irak, Balkans, Kongo oder Libanon.

Deutsche, amerikanische oder andere ausländische Politiker scheiden als Akteure afghanischer Politik aus. Doch in Afghanistan selbst gibt es offensichtlich jenseits des Kreises um Präsident Hamid Karsai kaum jemanden, der einen funktionsfähigen Zentralstaat Afghanistan aufbauen will oder kann – mit Ausnahme der islamistischen Taliban.

Natürlich wäre die Rückkehr des Taliban-Regimes ein Albtraum. Wenn sich jedoch die Mehrheit der Afghanen nicht selbst dagegen mit aller Macht stemmt, ist es weder moralisch noch politisch unsere Aufgabe – oder die der USA oder Uno –, diese Entwicklung zu verhindern. Die inneren Angelegenheiten eines jeden Staates sind die Angelegenheit des jeweiligen Staates.

Drei Ausnahmen müssen gelten: wenn lebenswichtige Interessen direkt bedroht sind, schwerwiegende Gefahr für den Weltfrieden oder ein Völkermord droht.

Nach dem 11. September 2001 war das Taliban-Regime eine Gefahr für den Weltfrieden. Es diente dem internationalen Terrorismus als territoriale Basis. Nach dessen Zerschlagung durch die USA hätte gelten müssen: „Mission accomplished!“, Auftrag erfüllt, „bringt die Soldaten heim“.

Rein – das war richtig. Danach raus. Das wäre richtig gewesen. Bei neuer Gefahr wieder rein und wieder raus, keinesfalls lange bleiben. Doch die rot-grüne Bundesregierung unter Schröder/Fischer/Scharping (später Struck) ging anders vor: Als die Amerikaner „drin“ waren, schickte sie auch die Bundeswehr rein, ohne zu wissen oder zu planen, wie sie wieder rauskomme.

Militärs als Ersatz für Politik und Verwaltung: eine Totgeburt. Anfänglich sahen wir rührende Bilder: deutsche Soldaten mit afghanischen Kindern an der Hand. Reizend, doch politisch absurd. Sollten „unsere Jungs“ einheimische Kindergärtnerinnen ersetzen?

Welche Strategie gilt in Afghanistan? Wir haben es noch nicht erfahren. Dass unsere „Freiheit am Hindukusch verteidigt“ werde, ist Strucks Phrase, keine Strategie. Die Terrorbasen bestehen zwar durchaus noch auf pakistanischem Boden. Aber aus gutem Grund interveniert dort weder die Bundeswehr noch sonst jemand. Das macht den Antiterrorkrieg operativ unwirksam und zugleich unglaubwürdig.

Eine offensive, geografische Erweiterung der Bundeswehroperationen in den Süden Afghanistans wird abgelehnt, denn schon die Defensive im Norden ist militärisch kaum noch zu bewältigen. Dort igelt sich die Bundeswehr ein, um die Sicherheit deutscher Soldaten am Hindukusch, nicht um die Freiheit der Deutschen in Deutschland zu schützen.

Nach dem moralischen Imageverlust fehlt nun auch die ethische Autorität, selbst wenn die „Schädelschande“ die Tat Einzelner (in einer Eliteeinheit!) gewesen sein sollte. Militär statt Politik: Mit diesem Ansatz scheitern die USA im Irak, wir mit Amerikanern und Nato in Afghanistan und mit den Europäern auf dem Balkan.

„Germans, come home!“ Das rotgrüne Flickwerk darf nicht das Programm deutscher Außen- und Sicherheitspolitik bleiben. Mit dem Rückzug aus Bosnien-Herzegowina – eine Erblast der Ära Kohl/Rühe – beginnt Verteidigungsminister Franz Josef Jung einen überfälligen Kurswechsel.

Der Autor ist Professor an der Bundeswehr-Universität in München.

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