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Meinung: Brüssel, bitte übernehmen

DAS TÜRKISCHE REFORMPAKET UND DIE EU

Ohne funktionsfähige Regierung und mitten in der Sommerpause hat das türkische Parlament in einem seltenen Kraftakt all die Reformen durchgepaukt, die die Regierungskoalition so lange verschlampt und verzögert hatte: Abschaffung der Todesstrafe, Ausweitung der Sprachfreiheit für Kurden und Stärkung der Meinungsfreiheit. Das fiel den Abgeordneten keineswegs leicht. Besonders die Abschaffung der Todesstrafe stellte viele vor Gewissenskonflikte, zumal die Nationalisten diese Reform sehr eloquent als Verhöhnung der Opfer des PKK-Krieges darstellten – entgeht doch der zum Tode verurteilte PKK-Chef Abdullah Öcalan so endgültig dem Galgen. Auch die Zulassung von kurdischen Sprachkursen und Fernsehsendungen rührt an die Urängste vieler Türken vor einer Spaltung und Aufteilung ihres Vaterlandes. Dass selbst die respektierte Armee künftig straflos kritisiert werden darf, geht gegen die autoritären Traditionen türkischer Politik. Trotzdem rang sich eine deutliche Mehrheit in der Nationalversammlung zu diesen Reformen durch – wegen der türkischen EU-Bewerbung. Dass die Abgeordneten sich über ihre Bedenken hinwegsetzten, um den Weg nach Europa frei zu machen, zeigt, wie ernst es ihnen mit dem Beitritt ist. Nun liegt es an der EU, wie es mit der Türkei weitergeht. Wenn sie der Türkei in Kopenhagen kein Beitrittsdatum zusagt, dann werden die türkischen Nationalisten feixen, nach deren Ansicht die EU die Türken nur an der Nase herumführt. Und in der Öffentlichkeit wird dann ein solcher Elan für Europa nie wieder zu mobilisieren sein. Jetzt ist Brüssel dran. güs

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