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Meinung: BSE: Der grüne Kanzler

Der Rinderwahn ist eine Seuche mit bemerkenswerten politischen Nebenwirkungen - bis hinein in die Generaldebatte des Deutschen Bundestags um den Haushalt. Haben wir bisher gewusst, dass unser Bundeskanzler ein verkappter Grüner ist?

Von Robert Birnbaum

Der Rinderwahn ist eine Seuche mit bemerkenswerten politischen Nebenwirkungen - bis hinein in die Generaldebatte des Deutschen Bundestags um den Haushalt. Haben wir bisher gewusst, dass unser Bundeskanzler ein verkappter Grüner ist? Wir haben es nicht gewusst. Es musste erst einmal ein deutsches Rind mit dem BSE-Erreger im Hirn entdeckt werden, bevor sich Gerhard Schröder outet.

"Weg von den Agrarfabriken", hat der Kanzler im Bundestag gefordert; hin zu einer anderen, "verbraucherfreundlichen" Landwirtschaft. "Wenn nicht jetzt, dann nie" - wer wollte noch widersprechen? Vielleicht muss ja wirklich eine Krise von diesem Ausmaß her, um eine umwelt- und tierschonende Landwirtschaft hierzulande durchzusetzen?

Aber im Ernst: Was will Schröder? Auf der vordergründig parteipolitischen Ebene ist der Sinn solcher Äußerungen klar. Einer Bevölkerung, die durch die BSE-Krise tief verunsichert ist, wird das Signal gegeben: Wir tun was, und zwar nicht nur an den Symptomen, sondern an den Ursachen.

Dass das komplette Verbot von Tierkadaver-Mehl als Futtermittel eher symbolische Politik ist, beginnt sich allmählich herumzusprechen. Damit werden die Möglichkeiten erschwert, das schon seit 1994 bestehende Tiermehl-Fütterverbot für Rinder und andere Wiederkäuer zu umgehen.

Das Verbot ist also nicht falsch. Aber es wird die Seuche nicht stoppen. Es wird nicht einmal verhindern, dass zumindest in Import-Kraftfutter weiterhin Tiermehl-Beimischungen auftauchen - verboten ist das heute schon, aber es passiert.

Also muss mehr, muss Zusätzliches getan werden. Nun hat sich ebenfalls herumgesprochen, dass Rindfleisch aus Bio-Produktion vielleicht auch nicht absolut BSE-sicher ist, aber doch zumindest risikoärmer. Großbetriebe stehen eher schon mal in Versuchung, magere Kälbchen in Rekordzeit mit Eiweiß-Doping schlachtreif zu mästen. Der Ruf nach völliger Umorientierung liegt also nahe. Dass der Kanzler und SPD-Vorsitzende mit ein paar Sätzen gleich noch den Grünen ein Thema wegnimmt, die es in den letzten Tagen geradezu sträflich versäumt haben, das Feld lautstark zu besetzen - dies nur am Rande.

Aber was will Gerhard Schröder in der Sache? So viel scheint klar: Die reine Bio-Landwirtschaft mit ihren strikten Auflagen und ihren streng geschlossenen Futter- und Dünger-Kreisläufen ist des Kanzlers Ziel wohl nicht. Dann würde seine Currywurst nämlich deutlich teurer. Eher gemeint sein dürften jene bäuerlichen Erzeugergemeinschaften, die sein Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke so schätzt. Deren Produkte sind, keine Frage, oft gesünder und schmecken besser als das EU-Einheitsmastrind aus dem Großbetrieb. Nur: Gegen BSE ist auch die Erzeugergemeinschaft keine Garantie - der Bauer in Schleswig-Holstein, in dessen Stall die Seuche auftrat, hatte keinen Großbetrieb.

Übrigens muss daran erinnert werden, dass auch christdemokratische Agrarminister stets das Hohe Lied der bäuerlichen Landwirtschaft gesungen haben - was sie in der Praxis für deren Erhaltung getan haben, kommt einer gehobenen Form der Denkmalpflege gleich. CDU und CSU aber brauchten die Bauern immerhin als Stammwähler.

Der SPD-Kanzler kriegt die Bauern-Stimmen nicht; er braucht die Verbraucher. Gerhard Schröder hat eine richtige Ankündigung gemacht. Mal sehen, wie viel richtige Politik dabei herauskommt.

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