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Meinung: BSE: Pasta mit Zucchini und Parmesan

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat die Agenturmeldungen, die da täglich über den elektronischen Ticker gehen, einmal "Erregungsangebote" genannt. Gestern boten die Agenturen vor allem eines an: Rinderwahnsinn.

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat die Agenturmeldungen, die da täglich über den elektronischen Ticker gehen, einmal "Erregungsangebote" genannt. Gestern boten die Agenturen vor allem eines an: Rinderwahnsinn. Unter diesem Stichwort liefen binnen zehn Stunden sage und schreibe 70 Meldungen ein, alle neun Minuten eine. Das ist ungewöhnlich viel und weit mehr, als in diesem Zeitraum real passieren kann.

Machen die Medien also die Leute rinderwahnsinnig, wird alles nur aufgebauscht? Wenn man genau aufpasst, kann man schon die superklugen Kulturkritiker ihre Griffel spitzen sehen, die Bauernvertreter ihre Keulen schnitzen. Hysterie wird das Stichwort der Gegenaufklärung sein: Die Deutschen reagieren wieder mal über, Medien und Ökologen verhetzen die Verbraucher, werden die Bauernverbände verkünden. Kulturkritiker werden in feinen Strichen nachweisen, dass diese ganze Hysterie von unserer unbewältigten Vergangenheit herrührt, daher typisch deutsch sei und daher falsch.

Hysterie? Aus der Sicht eines normalen, klar denkenden Verbrauchers stellt sich die Lage so dar: Rindfleisch, -mark und -hirn sind in unbekannten Ausmaß mit dem tödlichen Erreger von BSE verseucht, das unter Umständen auf Menschen übertragbar ist. Die Kennzeichnung von Fleisch bietet keine Gewähr für Gesundheit, ebensowenig wie das Importverbot, weil wir den Erreger auch in Deutschland haben. Die ganzen Herkunftsnachweise bringen dem Bürger derzeit nur eines: Wenn er irgendwann an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sterben sollte, wird er wissen, bei welchem Tier er sich das geholt hat. Dann kann er sagen: Mein Todeskalb stammte aus Schleswig-Holstein, lebte zwischen 1999 und 2000 und hieß Berta. Das ist schön, man kann es auf den Grabstein schreiben. Aber es beruhigt nicht sehr.

Auch der BSE-Schnelltest, der jetzt obligatorisch werden soll, schafft keine Gewissheit, dass ein Rind gesund ist, nicht mal, dass es krank ist. Das Verbot von Tiermehl, das Samstag in Kraft treten soll, hilft wenig, weil es bisher schon verboten war, diese müllige Substanz an Rinder zu verfüttern. Dem Landwirtschaftsminister kann man nicht trauen, weil er bis vor kurzem noch ausgeschlossen hat, dass es in Deutschland BSE gibt - wider alle Wahrscheinlichkeit, vielleicht wider besseres Wissen.

Was also soll ein rational denkender Verbraucher nun tun? Soll er zum Experten für Rinderzüchtung, Rinderkennzeichnung und Rindertransport werden? Soll er bei jedem Kauf mit seinem Metzger ausführlich die Krankheitswahrscheinlichkeit von Teewurst und Rinderhack erörtern? Die Antwort darauf hängt davon ab, aus welchem Grund man Rindfleisch isst, und nicht Huhn, oder Soja, oder Gemüse oder auch mal nichts. Es gibt nur einen Grund, warum man Rindfleisch isst: Genuss. Und dieser Genuss wird einem durch den kriminologischen Aufwand beim Kauf und durch die Ungewissheiten beim Verzehr genommen. Warum um Himmels willen sollte jemand im Moment Rindfleisch kaufen?

Und dann hat dieser überhaupt nicht schmerzhafte Verbraucher-Verzicht noch eine produktive politische Nebenfolge. Er wirkt - wenn viele so vernünftig und kühl abwägen - wie ein Boykott. Das hat zur Folge, dass Bauern und Politiker unter Kostendruck so schnell handeln, wie sie können. Vielleicht zwingt es auch den Beruhigungsminister Funke zum Rücktritt. Kurzfristig bringt das nichts, auf Dauer verbessert es die politische Kultur.

Die Verbraucher sollten sich nicht verrückt machen lassen. Weder von Bauernlobbyisten, noch von Kulturkritikern, noch vom Rinderwahn: Nudeln mit Zucchini, darüber frischen Parmesan gehobelt, und in Ruhe abwarten, was mit den Rindern so wird.

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