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Meinung: Bündnis für Arbeit: Einer hat die Macht in der Manege

Zu einer guten Dressurnummer gehört zweierlei: ein geschickter Dompteur, der zum Schein die Peitsche schwingt, und brave Tiere, die beim Männchenmachen Zähne zeigen. Womit wir beim Bündnis für Arbeit wären.

Zu einer guten Dressurnummer gehört zweierlei: ein geschickter Dompteur, der zum Schein die Peitsche schwingt, und brave Tiere, die beim Männchenmachen Zähne zeigen. Womit wir beim Bündnis für Arbeit wären.

Diese Runde hatte der Bundeskanzler einst einberufen, auf dass sie etwas gegen die Arbeitslosigkeit tue, indem sie "die Reformarbeit der Bundesregierung begleitet" und "alle Projekte" auf die entscheidende Beschäftigungsfrage hin abklopft. So Gerhard Schröder. Von diesem Plan ist nicht mehr viel übrig. Die Öffentlichkeit interessiert sich kaum noch für die Arbeitslosigkeit, weil sie sinkt. Solange immer weniger Menschen Arbeit haben, denkt jeder: "Wann trifft es mich?" Sobald es dann mehr Arbeit gibt, denkt jeder: "Mich trifft es sowieso nicht." Darum hatten im Jahr 2000 alle möglichen Themen Konjunktur, nur die Arbeitslosigkeit nicht (die vom Weggucken leider nicht verschwindet). Und da sich der Bundeskanzler in seiner Politik ja bekanntlich dann und wann ein ganz klein wenig nach den Medien richtet, verwundert es kaum, dass er Arbeitgeber und Arbeitnehmer acht Monate lang nicht einlud. Auch das morgige Treffen soll nur 120 Minuten dauern.

In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung zwei "Projekte" durchgezogen, die sich nachhaltig auf die Beschäftigung auswirken: die Rentenreform und die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Eine Gelegenheit, die beiden Reformen "abzuklopfen" gab der Kanzler dem Bündnis für Arbeit allerdings nicht: Er berief es schlicht nicht ein. Nicht, weil es überhaupt Streit gegeben hätte - das gefällt dem Kanzler durchaus, dann kann er umso besser schlichten. Nur: Dieser Streit hätte unkontrollierbar werden können. Da ließ der Bundeskanzler lieber seine Minister Müller und Riester sich um die Betriebsverfassung balgen. Denn ein bisschen Streit muss sein, sonst wirkt es nicht ernst; und wenn schon Streit, dann nach der Anweisung des Kanzlers.

Aber nun, nachdem alles Wichtige schon entschieden ist, darf das Bündnis doch ein Mal wieder kurz tagen. Brav haben Arbeitgeber und Gewerkschaften im Vorfeld ihre Gebisse gezeigt: Über die Betriebsverfassung wollen die einen doch noch mal sprechen; über die vielen Überstunden wollen die anderen jetzt aber wirklich mal reden. Und der Kanzler hat spielerisch drohend die Peitsche gezeigt: Wenn ihr über die Betriebsverfassung reden wollt - dann hält Walter Riester erstmal einen langen Vortrag, zur Strafe. Den Gewerkschaften ließ Schröder mitteilen, dass es kein Gesetz zur Begrenzung von Überstunden geben wird. Basta, sozusagen.

Doch weil eine gute Dressur mit einer Versöhnung enden soll, dürfen die vormals mächtigen Verbände nach Ablauf der zwei Stunden eine Initiative zur Qualifizierung älterer Arbeitnehmer beschließen, die das Kanzleramt ohnehin schon längst beschlossen hat. Das ist Zucker.

Man könnte natürlich sagen, dass den Tarifparteien die Verpudelung ganz recht geschieht. Warum lassen sie sich darauf überhaupt ein? Bedenklich ist jedoch, dass der Bundeskanzler das mit den meisten seiner unzähligen Kommissionen, Räte und Arbeitsgruppen so macht. Beispielsweise möchte er demnächst einen Nationalen Ethikrat für alle moralischen und politischen Fragen der Gentechnik einrichten. Selbstverständlich beeindruckt es den Kanzler dabei nicht, dass es eine Ethikkommission des Bundestages bereits gibt. Natürlich hat er mit den Gruppen, die da hinein sollen, kein Wort gesprochen, bevor er die Idee öffentlich machte.

Doch stimmen derlei Unhöflichkeiten die Beteiligten erst richtig ein auf das, was kommen mag: Wenn man die Erfahrungen mit dem Bündnis für Arbeit zugrunde legt, dann wird über die umstrittene Präimplantations-Diagnostik erst politisch entschieden und dann im Ethikrat debattiert. Und wenn dann das Klonen von embryonalen Stammzellen ansteht, wird man sich darauf gefasst machen müssen, acht Monate nicht einberufen zu werden.

Dass der Kanzler fürs Publikum agiert, wäre ihm nicht übel zu nehmen - wenn die gesellschaftlichen Gruppen anders wären, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, auch die Kirchen. Doch sie werfen sich vor ihm ins Sägemehl. So wird Politik unernst.

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