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Bundesbankpräsident: Warum die Berufung von Jens Weidmann richtig ist

Jens Weidmann ist durch seine Arbeit im Kanzleramt nicht kontaminiert, sondern besonders geeignet für das Amt des Bundesbankpräsidenten. Er verkörpert den Typus eines absolut uneitlen, fachkundigen und klugen Staatsdieners – im wörtlichen Sinne.

Es ist nicht so, dass Jens Weidmann in seinen fünf Jahren im Kanzleramt das unabhängige Denken verlernt hätte. Das hätte Angela Merkel auch besonders ungnädig gestimmt, von Lakaien hält sie nichts. Im Gegenteil, das Abwägen aller Optionen, das Durchdringen der komplexesten Sachverhalte ist Weidmanns besondere Stärke. Er bereite die Themen so auf, dass seine Chefin eine Entscheidungsgrundlage habe – so hat der promovierte Volkswirt tiefstapelnd seine alte Aufgabe umschrieben. Ideologische Vorschläge hat sie von ihm nie bekommen.

Seine neue Aufgabe erfordert ein ähnliches Vorgehen. In der paneuropäischen Schuldenkrise, für deren Bewältigung Deutschland finanziell stärker ins Risiko geht als jedes andere Land, braucht es einen ausgewiesenen analytischen Kopf an der Spitze der Bundesbank. Weidmann ist das, aber zu erwarten ist, dass er seinen Vorgänger und früheren Lehrer Axel Weber in einer anderen Disziplin noch deutlicher übertrifft: dem taktischen Agieren nämlich. Dass Weidmann sich wie Weber in der EZB plötzlich in einer Isolation wiederfindet, die ihn handlungsunfähig macht, ist jedenfalls nicht zu erwarten.

Als sogenannter Sherpa der Kanzlerin für die Vorbereitung der G-8- und G-20-Gipfel weiß der designierte Bundesbankpräsident nur zu gut, wie eigene Positionen mehrheitsfähig gemacht werden können. So ist die Erfahrung in der Bundesregierung gerade etwas, was für Weidmann sprechen kann. Weber, der fachlich ausgezeichnete Professor, ist in seinem Amt an Grenzen gestoßen, auch weil ihm politische Raffinesse fehlte.

Weidmann kennt obendrein die Bundesbank trotz seiner erst 42 Jahre bestens, weil er drei Jahre lang ihr Abteilungsleiter für Geldpolitik war. Warum er schon seit Monaten als Vizepräsident für die Bundesbank gehandelt wurde, warum ihn Merkel nun früher als erwartet und doch schweren Herzens ziehen lässt – das erschließt sich leicht. So wie Merkels früherer Sprecher Ulrich Wilhelm und ihr ebenfalls scheidender europapolitischer Berater Uwe Corsepius reißt er eine Lücke im Kanzleramt.

Obwohl Weidmann über Parteigrenzen hinweg auf viel Sympathie stößt, konnte sich die Opposition es sich doch nicht ganz verkneifen, seinen Wechsel vom Kanzleramt in die Bundesbank zu kritisieren. Doch ist das eine sehr deutsche Haltung. Weidmann ist durch seine Arbeit im Kanzleramt gerade nicht kontaminiert, sondern besonders geeignet. Eine Karenzzeit zu fordern, ist völliger Unfug. In Frankreich würde so ein Ansinnen auf Unverständnis stoßen. Vielleicht fehlt Deutschland eine prestigeträchtige Einrichtung wie die École Nationale d’Administration, denn hierzulande werden Elite und Beamtenapparat häufig als Widerspruch verstanden. Es irritiert offenbar geradezu, wenn ein Spitzenbeamter steile Karriere macht.

Der Typus Weidmann – er ist nicht allein, es gibt mehr davon – ist indes etwas, worauf die Bürger eigentlich stolz sein müssten: der Typus eines absolut uneitlen, fachkundigen und klugen Staatsdieners – im wörtlichen Sinne.

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