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Meinung: Bundesgartenschau: Landschaft vor der Blüte

Bundesgartenschauen sind Heimspiele fürs deutsche Gemüt. Und in ihrer Mischung aus Ausstellung, sommerlangem Volksfest und Investiotionsschub sind sie auch eine der charakteristischen Erfindungen der Nachkriegszeit.

Bundesgartenschauen sind Heimspiele fürs deutsche Gemüt. Und in ihrer Mischung aus Ausstellung, sommerlangem Volksfest und Investiotionsschub sind sie auch eine der charakteristischen Erfindungen der Nachkriegszeit. Selbst der Spott, da feiere sich das neudeutsche Biedermeier, trifft sie nicht eigentlich. Denn sie haben in den fünfzig Jahren, in denen es sie gibt - 1951 fand im kriegszerstörten Hannover die erste Gartenschau statt -, eine Vielzahl grüner Oasen ins zubetonierte Land implantiert. So wird sich auch die Gartenschau in Potsdam, die seit gestern den Besuchern offensteht, aufs Prächtigste entfalten, sobald das Wetter mitspielt. Sie wird das Publikum für ihre Botschaft finden, zumal mit dem Buga-Park selbst, dem Mittelpunkt der Ausstellung, der, höchst symbolisch, aus der Altlasten-Wüste eines alten Militärgeländes gestampft wurde, nur sieben Jahre, nachdem die sowjetischen Soldaten sie verlassen haben. Doch man kann sicher sein, dass sich die ganze brandenburgische Landeshauptstadt als blühende Landschaft präsentieren wird.

Womit man schon bei der Lesart des Wortes ist, die hier, in den neuen Ländern, gar nicht zu vermeiden ist, und die ja auch schon bei der Eröffnung am Freitag ausgiebig strapaziert wurde. Blühende Landschaften: Natürlich ist es ungerecht, wenn man das große grüne Event, das die Potsdamer sich und ihren Gästen in diesem Sommer bereiten werden, sogleich mit dem Reizwort verbindet, auf das sich - seitdem Helmut Kohl es in die Welt gesetzt hat - Enttäuschung und Häme gestürzt haben. Die Schuld tragen nicht die Potsdamer. Es ist die Lage, die uns dazu nötigt. Der Bundestagspräsident hat mit dem scharfen Wort von der "Kippe", auf der die neuen Länder stünden, den Sprengstoff freigesetzt, der im Zustand des Ostens steckt.

Dabei tut man gut, den Streit niedriger zu hängen, der sich an Thierses Diktum entzündet hat. Psychologie ist viel, aber nicht alles. Der Nenner des "längerfristigen Aufbauprozesses" einschließlich der Forderung nach "langem Atem und Solidarität", auf den der Bundeskanzler die Situation gebracht sehen möchte, entschärft sie nicht wirklich. Die neuen Länder sind nicht in der Gefahr des Kippens, aber sie kippeln. Das Ausbleiben des ersehnten selbsttragenden Aufschwungs, der beängstigende Sicker-Strom der Übersiedlung nach Westen, das Wirksamwerden der Altlasten aus der Wende-Zeit in Gestalt eines alternden Bevölkerungsprofils - das alles sind Befunde, die unbestreitbar sind. Sie summieren sich zu der fatalen Erkenntnis, dass die Unterschiede zwischen Ost und West sich nicht mehr schließen, sondern wieder aufzuklaffen beginnen.

Natürlich gibt es die blühenden Landschaften im Osten - rekonstruierte Stadtbilder, eine erneuerte Infrastruktur, auch neue Firmen. Niemand hätte sich ja auch vor zehn Jahren ausmalen können, wie sich die graue DDR seither verändert hat. Aber niemand hätte auch gedacht, wie mühsam es sein würde, den Erneuerungsprozess in die Tiefe und die Breite von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Es ist diese Ambivalenz, die das Problem der neuen Länder ausmacht. Was das angeht, so hat die Gartenschau dann doch etwas Sinnbildhaftes. Die Aufbauarbeit der Ausstellung, die wiedergewonnene Schönheit an anderen Stellen der malträtierten Stadt, das Beispiel gelungener Rekultivierung - das alles schwebt noch mindestens eine Handbreit über der Wirklichkeit, in Potsdam und drumherum.

Die neuen Länder befinden sich in der Tat in einer kritischen Lage, aber auf einem ganz anderen, höheren Niveau als zu Anfang der neunziger Jahre. Es ist nicht mehr der Absturz der neuen Länder, der droht, ein deutscher Mezzogiorno. Es ist vielmehr das Aufbrechen massiver Bruchlinien - zwischen Ost und West, aber auch im Osten selbst, wo Aufschwung und Stagnation zusammenstoßen. Deshalb hat der Kanzler recht, wenn er davor warnt, die Hoffnung auf neue, milliardenschwere Aktionsprogramme zu setzen. Deshalb braucht es Beispiele, die Mut machen. Bundesgartenschauen haben eine solche Rolle schon früher gespielt, in den Nachkriegsjahren, als sie im Westen Zeichen für den Wiederaufbau der Städte setzten, im Osten in Cottbus 1996 und Magdeburg 1999. Potsdam hat seine Chance.

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