zum Hauptinhalt

Bundespräsident: Das Amt tritt zurück

Am Beginn dieser Woche, erscheint es so, als verlören sowohl das Amt als auch Wulff fortschreitend an Würde. Doch sollte er zurücktreten, fragt sich: Wer kann das Amt denn noch bekleiden?

Es ist ein Trauerspiel, ein großes, dass das neue Jahr im Inneren mit diesem Fall beginnt: dem Fall des Christian Wulff, in des Wortes zweifacher Bedeutung. Jetzt geht es nicht mehr um die Frage, ob ein Präsident, ob Minister- oder Bundespräsident, einen väterlichen Freund haben darf, der ihm 500.000 Euro für einen Hauskauf leiht.

Alles ist in den Hintergrund gedrängt durch so viel Vordergründiges, Abgründiges, Trauriges, das allenthalben aus allen Ritzen dringt und die Couloirs des Politischen verstopft. Was gäbe es nicht alles an Wichtigem noch zu verhandeln! Der Iran, der die USA in eine gefährliche Ecke treibt; die Rente mit 67, die nicht sicher ist; die EU-Präsidentschaft der skeptischen Dänen in einem Halbjahr, das den Euro dringend (weiter) festigen muss.

Aber, und das gehört dazu, gerade auch vor diesem Hintergrund benötigt diese Republik einen obersten Repräsentanten, der in Zeiten der weltweiten Unruhe und der deutschen Orientierungssuche einen verlässlichen Kompass hat und eine Autorität darstellt.

Das Amt, das Christian Wulff erstrebt hat, und zwar mehr als er das des Bundeskanzlers je haben wollte, dieses Amt also lebt in jeder Hinsicht vom Respekt. Einmal vom Respekt der Politiker gegenüber dem Amtsinhaber, und sei es, dass sie ihn selbst dorthin gewählt haben. Dann lebt es vom Respekt des – wohlgemerkt zeitweiligen – Inhabers vor der Aufgabe und dem Rang des Amts innerhalb der Gewaltenteilung der Republik.

Und zu guter Letzt lebt es davon, dass sich der Präsident durch Wirken und Sein den Respekt verschafft, der nötig ist, um als „Integrationsagentur des Staates“ handeln zu können, wie es der damalige Verfassungsgerichtspräsident und spätere Bundespräsident Roman Herzog einmal beschrieb.

Sein Nachfolger Christian Wulff muss sich, gut ein Jahr im Amt, an diesen Maßstäben messen lassen, von anderen, und er muss sich anhand dieser Maßstäbe selbst Rechenschaft ablegen. Sein Verbleiben im Amt, nutzt es, oder schadet es? Die Gretchenfrage, das Faustische am Fall, weil so viel mitschwingt bei der Beantwortung.

Wulffs Behandlung in der Presse, die inzwischen auch der Bundestagspräsident kritisch betrachtet hat, ist ein Teil des Ganzen. Wenngleich man sagen muss, dass dieser Teil durch das inzwischen berichtete Verhalten des Präsidenten relativiert wird. Dazu im Generellen so viel: Presse- und Meinungsfreiheit ist nicht nur ein Wort, das der Bundespräsident fernen, noch nicht vollends demokratisierten Ländern in Reden vorhalten darf.

Es ist, ausgehend vom Hambacher Fest 1832, konstitutiver Bestandteil einer Demokratie wie der unsrigen. Den zu achten, unter allen Umständen, ist dem Staatsoberhaupt zumal aufgegeben, vorbildhaft geradezu. Im Besonderen kann es Umstände geben, die auch einen Präsidenten, diesen Präsidenten, über die Maßen so erzürnen, dass der sich vergisst; nur hat das dann zugleich eine andere, staatspolitische Dimension, die der Präsident anerkennen muss.

Tragisches liegt darum in der Person, die in einer Weise reagiert, die ihn klein macht, und in der zu beobachtenden schleichenden Vulgarisierung des Bundespräsidentenamtes. Es hat, kraft Amtes, bisher noch jeden Inhaber nobilitiert. Mag vorher hart über ihn gestritten worden sein, mag er vorher hart gestritten haben, nach der Wahl wurden Person und Amt geachtet.

Das war so bei, beispielsweise, Karl Carstens, oder bei Johannes Rau, und das wird auch nicht dementiert durch den beispiellosen Rückzug von Horst Köhler. Nun jedoch, am Beginn dieser Woche, erscheint es so, als verlören sowohl das Amt als auch Wulff fortschreitend an Würde. Das Amt auch deshalb, weil sich die Frage stellt, wer es nach Wulff denn noch bekleiden wollte, und welcher Politiker, welcher Mensch nobel genug wäre, es zu übernehmen.

Nobel heißt hier außerdem: welcher Mensch sich so untadelig verhalten hat, dass ihm nichts vorgehalten werden kann, weder politisch noch privat. Wenn Christian Wulff zurücktritt, kann die staatspolitische Krise darin liegen, dass auch das Amt von seiner Bedeutung zurücktritt. Und das Amt wird gebraucht.

Zur Startseite