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Bundespräsidentenwahl: Was macht ein guter Linker?

Also dann: Die Bundespräsidentenwahl wird für Lafontaines und Gysis Partei schwierig. Entweder die Linke kehrt dem eigenen Kandidat den Rücken, oder sie ermöglicht Köhler eine sichere Wiederwahl. Was wiegt schwerer?

Auf den 23. Mai des kommenden Jahres sollten wir uns freuen. Es wird ein spannender Sonnabend werden, wenn die Bundesversammlung in Berlin tagt, um das Staatsoberhaupt zu wählen. Denn dass ein amtierender Bundespräsident ernsthafte Gegenkandidaten hat, ist ein Novum. Zwar wurde auch Theodor Heuss und Heinrich Lübke bei ihrer zweiten Bewerbung die Wiederwahl streitig gemacht, aber das war jeweils rein pro forma und ohne irgendeine Erfolgsaussicht.

Diesmal ist das anders. Union und FDP sind ziemlich erbost, dass die SPD mit einer eigenen Bewerberin antritt. Guido Westerwelle schäumt, weil für ihn Horst Köhler so etwas wie das Symbol der Chance auf einen Koalitionswechsel der CDU/CSU ist. Und Angela Merkel meinte wohl, es sei die großkoalitionäre Pflicht der Sozialdemokraten, diesmal Köhler die Stimme zu geben. Doch durch diese Rechnung hat die selbstbewusste Gesine Schwan einen Strich gemacht. Und jetzt hat auch die Partei Die Linke ein bekanntes Gesicht ins Rennen geschickt. Für sie tritt der 72-jährige Schauspieler Peter Sodann an. Der Ex-Tatort-Kommissar ist vor allem bei ostdeutschen Mitgliedern der Bundesversammlung für Stimmen gut.

Seit Sodann im Rennen ist, müssen die Wahlarithmetiker neu rechnen. Eigentlich sah ihre Kalkulation nach der bayerischen Landtagswahl so aus: Zwar war die Gruppe der Unionswahlmänner und -frauen durch das Debakel der CSU geschrumpft. Aber da als Ausgleich mehr Freie Demokraten und Freie Wähler in die Bundesversammlung kommen, könnte es für Köhler knapp reichen. Ganz knapp, wenn Gesine Schwan die Stimmen der Linken hinter sich versammelt und zwei oder drei aus dem Köhlerblock für sie votieren.

Das wird nun nicht mehr klappen. Gesine Schwan, die zwar mit der Linken reden und sie in demokratische Prozesse einbinden möchte, ist überzeugte Gegnerin aller totalitären Ideologien. Dass hat sie die Lafontaine-Gysi-Bisky-Partei mit großer intellektueller Klarheit wissen lassen. Peter Sodann, der Sozialromantiker, der sich als betenden Kommunisten bezeichnet, ist die Antwort der Linken auf diese Brüskierung.

Nun ist die Frage: Was wiegt für die Linke letztlich schwerer: dass sie den Konservativen Horst Köhler im höchsten Staatsamt verhindert und Gesine Schwan im dritten Wahlgang mitwählt – um den Preis der eigenen Identität? Oder dass sie ihrem Kandidaten Sodann bis zum bitteren Ende treu bleibt und lieber Köhler eine zweite Amtszeit ermöglicht, als sich selbst das Rückgrat zu brechen?

Die Strategen würden der sozialdemokratischen Präsidentin den Vorzug vor der Bewahrung der eigenen Glaubwürdigkeit geben. Aber bei so viel Kritik an unserem politischen System darf doch nicht auch noch die Linke opportunistisch werden, oder? Damit würde sie in letzter Konsequenz vor allem der CDU und der CSU einen Gefallen tun. Deren Lautsprecher würden dann nämlich sofort das altbekannte Bürgerschreck-Lied anstimmen: Da seht ihr’s, im Zweifelsfall treibt’s die SPD eben doch mit der Linken.

Also wirklich: Es ist nicht leicht bei dieser Wahl, als Linker das im höheren Sinne Richtige zu tun.

Gerd Appenzeller

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