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Bundestag und Euro: Über viele Gipfel musst du gehn

Der europäische Rettungsschirm EFSF hat am Donnerstag im Bundestag eine Mehrheit erhalten. Europa gerettet, Regierungskrise verhindert, Koalition gestärkt – alles gut also?

Von Antje Sirleschtov

Gelungene Abstimmungen im Bundestag haben, zumal wenn sie vorher mit Superlativen wie denen von der „weltweiten Beachtung“ und der „Schicksalsstunde für Schwarz-Gelb“ befrachtet worden sind, häufig etwas Befreiendes. Wie der Augenblick, an dem Bergsteiger nach langen Mühen endlich ihr Ziel erreicht haben: Der Gipfel ist geschafft, man liegt sich in den Armen und glaubt für einen Moment, nun könne einem rein gar nichts mehr passieren. So war es auch an diesem Donnerstag im Parlament. Der europäische Rettungsschirm EFSF hat eine Mehrheit erhalten, und Angela Merkel hat dafür am Ende sogar so viele Stimmen aus CDU, CSU und FDP erhalten, dass es für die sogenannte Kanzlermehrheit sicher gereicht hat. Europa gerettet, Regierungskrise verhindert, Koalition gestärkt – alles gut also?

Nur ein kurzer Blick in die angespannten Gesichter der Unions- und FDP-Abgeordneten hat gezeigt, wie viel Mühe (und auch persönlichen Druck) es die Koalition gekostet hat, ihrer Kanzlerin auf diesem unsicheren und steinigen Weg nach Europa zu folgen. Mit Union und FDP bahnt sich eben – auch nach dieser Entscheidung – keine Mannschaft einen Kurs durch unsicheres Gelände, in der man aufeinander baut und einander vertraut. Keiner sollte sich darüber hinwegtäuschen lassen, dass hier nach wie vor eine eher labile Truppe ungeordnet über wackeliges Gestein kraxelt, jederzeit bedroht, von einem kleinen Wind umgeweht zu werden. Und wenn es nur das Gerücht ist, der Finanzminister verhandle hinter dem Rücken seiner eigenen Leute bereits über neue, noch viel größere Rettungsschirme.

Wo Vertrauen fehlt, da erwächst auch nur schwer überzeugende Kraft. Bis zuletzt stand vielen Koalitionären, nicht nur denen, die Merkels Kurs nicht gefolgt sind, die Angst davor ins Gesicht geschrieben, ihre Hand für etwas zu heben, das sie nicht überblicken und von dem sie deshalb auch nicht überzeugt sind, dass es der richtige Weg aus der Schuldenkrise ist. So wenig wie die Bevölkerung draußen verstehen kann, warum wir Deutsche hoch verschuldete und über Jahre reformunwillige Griechen, Italiener oder Portugiesen mit immer größeren Summen retten sollen, so stark schwindet die Bereitschaft der Parlamentarier, dafür ihre Stimme zu geben.

Diesmal noch – was dann? Niemand sollte annehmen, dass die Ingangsetzung des EFSF mehr ist als ein einziger Schritt. Ein notwendiger Schritt zwar; denn erst durch den Schirm werden Mechanismen geschaffen, gesunde Volkswirtschaften vor den Folgen des Zusammenbruchs eines Euro-Landes zu schützen. Aber dennoch ist das nur der erste Schritt. In den kommenden Monaten werden weitere folgen, die dann im Einzelfall womöglich noch bedeutender sind, als es jetzt die EFSF-Entscheidung war.

Schon bald könnte dieser Bundestag gefordert sein, über weitere Hilfen für Griechenland abzustimmen, dann aus dem EFSF. Auch dessen nochmalige Ausweitung ist keinesfalls ausgeschlossen, Andeutungen aus berufenem Mund gab es ja schon. Noch trösten sich die Abgeordneten damit, dass ohne ihre Zustimmung in Zukunft kein deutscher Euro mehr ausgegeben werden soll. Doch was nützt das, wenn die Anforderungen noch höher werden, wenn die Zukunft unserer Nachbarländer oder sogar ganz EU-Europas davon abhängen. Das ist die Lehre dieses Donnerstags: Wer die Verantwortung will, der muss sie tragen und ertragen können. Und zwar über noch so viele hohe Gipfel hinweg.

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