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Bundeswehr: Armee ohne Identität

Bei der Bundeswehr wird über Details gestritten – statt über die Frage, was sie heute leisten soll. Sie weiß nicht, wer sie ist.

Von Michael Schmidt

An Streitfragen herrscht wahrlich kein Mangel. Lässt sich beim Militär noch Geld sparen? Hat der Wehrbeauftragte recht, wenn er wieder und wieder die Ausrüstungsmängel der Armee beklagt – oder ist Helmut Königshaus eine Nervensäge mit Hang zur Selbstprofilierung? Hat die Wehrpflicht eine Zukunft – oder ist sie ein Auslaufmodell? Dem Verteidigungsminister steht ein heißer Herbst bevor. Karl-Theodor zu Guttenberg hat Diskussionen angestoßen, an deren Ende nicht mehr und nicht weniger als der umfassendste Umbau der Bundeswehr seit ihrer Gründung stehen wird. Allein: Der Eindruck verfestigt sich, dass dabei das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt wird.

Da kursieren Streichlisten, die auf irritierende Weise die Kernfähigkeiten betreffen, die Streitkräfte mit Sicherheit auch in Zukunft haben sollen: Eine um jede zweite Fregatte beraubte Marine müsste sich zum Beispiel aus der Piratenbekämpfung verabschieden; die Luftwaffe würde ihre Aufklärungsjets verlieren; beim Heer würde mit den Panzergrenadieren eine ohnehin ausgedünnte Kampftruppe getroffen. Da erörtern Experten des Verteidigungsministeriums eine unbestimmte Zahl von Reformmodellen und jonglieren mit Streitkräfte-Umfängen. Da ringt die Koalition mit sich um die Etikettierung: Soll die Wehrpflicht abgeschafft oder nur ausgesetzt werden? Und was, wenn sich die Befürworter einer Beibehaltung durchsetzen, weil ihr Argument der gesellschaftlichen Verankerung der Bundeswehr doch verfängt?

Es ist gewiss nicht falsch, darüber nachzudenken. Aber richtig wäre es, wenn die Regierung sich erst einmal darüber klar würde, welche Aufgaben die Bundeswehr in Zukunft eigentlich übernehmen soll. Welche Bedeutung die Landesverteidigung haben soll, welche Rolle Auslandseinsätze spielen werden, welche Verpflichtungen sie Bündnispartnern gegenüber einnehmen will. Davon ausgehend ließe sich doch überhaupt erst sagen, was für eine Armee mit wie vielen Soldaten und welcher Ausrüstung man wohl benötigt.

Die Bundeswehr aber weiß nicht, wer sie ist. Es fehlt ihr eine Idee ihrer selbst. Ein Problem, das sie mit der Nato teilt. Das nordatlantische Bündnis immerhin hat einen wichtigen Schritt schon getan: Es hat sich auf den Weg zur Selbstfindung gemacht: Im Herbst wird sie sich nach einjähriger Diskussion eine Strategie verpassen, die eine Antwort auf die Frage geben soll, welche Rolle die Allianz in der Welt des 21. Jahrhunderts spielen will. Die Bundeswehr und ihr Oberbefehlshaber in Friedenszeiten haben sich diese, die wichtigste Frage, die allen anderen erst die Richtung weist, noch gar nicht gestellt. Deshalb die große Sorge, dass die Sicherheitspolitik hierzulande an der Kassenlage, nicht an den Gefährdungen der Gegenwart ausgerichtet wird. Zum Schaden vor allem der Soldaten, die im Einsatz Leib und Leben riskieren.

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