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Meinung: Bundeswehr: Frieden als Kampf - Jahr um Jahr

Wer im Zorn zur Tür hinausgeht, sagt eine alte parlamentarische Weisheit, sollte sich vorher überlegen, wie er wieder hineinkommt. Anlass, daran zu erinnern, bietet die Kosovo-Debatte des Bundestages.

Von Robert Birnbaum

Wer im Zorn zur Tür hinausgeht, sagt eine alte parlamentarische Weisheit, sollte sich vorher überlegen, wie er wieder hineinkommt. Anlass, daran zu erinnern, bietet die Kosovo-Debatte des Bundestages. Wenn wir die Taten und Worte der Opposition ernst nehmen, gibt es im nächsten Jahr um diese Zeit für den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr möglicherweise keine Mehrheit mehr. CDU und CSU drohen mit einem Nein, FDP und PDS haben ihn schon diesmal abgelehnt. Da braucht es dann nur noch ein paar Abweichler bei Grünen und SPD, und schon befiehlt das Parlament den 5000 deutschen Kfor-Soldaten den ungeordneten Rückzug. Zugegeben, das ist ein eher unwahrscheinliches Szenario. Aber in letzter Konsequenz nimmt die Union einen solchen Fall in Kauf. Beide Parteien drohen, der Mandatsverlängerung im nächsten Jahr ihre Zustimmung zu verweigern, wenn die Regierung nicht den Wehretat sehr deutlich nachbessert.

Auf den ersten Blick erscheint die Verknüpfung nicht unlogisch. Die Bundeswehr bewegt sich bei ihrem aufreibenden Balkan-Einsatz hart am Rande ihrer Möglichkeiten. In kritischen Bereichen fehlt Personal; Fahrzeuge und Gerät sind oft nur einsatzfähig zu halten, weil die heimischen Bestände ausgeschlachtet werden. Wenn sich daran nichts ändert, ist der deutsche Balkan-Einsatz irgendwann mangels Masse am Ende. Und darum, sagt die Opposition, müsse die Regierung dem Verteidigungsminister mehr Geld geben.

Nun kann man lange darüber debattieren, ob Rudolf Scharpings Wehrreform auch nach den jüngsten Beschlüssen noch dramatisch unterfinanziert ist oder nicht. Aber die Frage ist , ob hier nicht eine falsche Front aufgemacht wird. Würde der Bundeswehr der Einsatz-Notstand drohen, wäre die Sicherheit der Soldaten in Tetovo und Pristina durch schlechtes Material und Nachschubmangel akut gefährdet - dann wäre das Junktim der Union zwischen Wehretat und Kfor-Mandat die Pflicht jedes verantwortungsvollen Parlamentariers. Nur so ist es ja nicht. Und so wird es auch nicht, weil sich das nicht einmal Spar-Hans Eichel leisten könnte. Auf der anderen Seite ist allen Beteiligten klar, dass ein Ausstieg aus der Kfor nicht in Frage kommt. Genauso gut könnte Deutschland die aktive Mitgliedschaft in der Nato aufkündigen und sich aus der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU verabschieden. Was immer an moralischen Argumenten für den Kosovo-Einsatz vorgebracht worden ist - in seinem realpolitischen Kern ist er das Modell für die neue europäische Sicherheitspolitik.

Europa braucht Stabilität auf dem Balkan, weil der Balkan zu Europa gehört. Bis auf weiteres ist diese Stabilität nur um den Preis zu haben, dass das Kosovo faktisch als Protektorat behandelt wird. Seit der Brandstifter Milosevic nicht mehr zündeln kann, gilt das erst recht, auch wenn sich die Aufgabe der Schutztruppe dadurch gewandelt hat: Sie muss das Gebiet nicht mehr so sehr vor seinen Nachbarn als vor sich selbst schützen, vor dem rachedurstigen Chauvinismus kosovarischer Fundamentalisten.

Dies alles weiß die Opposition so gut wie die Regierung. Jeder weiß auch, dass deutsche Soldaten noch auf Jahre im Kosovo bleiben werden, so wie sie seit Jahren in Bosnien sind. Dass das Mandat trotzdem jeweils nur für ein Jahr verlängert wird, ist sinnvoll, weil der Bundestag auf diese Weise gezwungen wird, den Einsatz seines "Parlamentsheeres" regelmäßig neu zu bewerten. Keinen Sinn aber ergibt es, mit einer Konsequenz zu drohen, die außer der PDS niemand will. Dabei hätte die Opposition genug Anlass, die Balkan-Politik der rot-grünen Regierung zu kritisieren. Was macht eigentlich der Stabilitätspakt? Was ist aus der großen Konferenz geworden, mit der diese Region symbolisch an Europa gebunden werden sollte? Die Opposition wird noch manchen Anlass bekommen, den Umgang der Regierung mit der Bundeswehr zu attackieren. Aber die Entscheidung über das Kosovo-Mandat ist keine Gelegenheit zum theatralischen Türenknallen. Dafür ist sie zu ernst zu nehmen. Ein kleiner Hinweis an Merz und Co: Man kommt wieder rein, indem man sich unauffällig umdreht, leise zurückschleicht und sanft die Klinke drückt.

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