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Bundeswehr in Afghanistan: Krieg führen - mit aller Konsequenz?

In Afghanistan herrscht Krieg, auch im Norden, wo die Bundeswehr stationiert ist. Die offene Kriegführung der Taliban die Bundeswehr und ihre politischen Auftraggeber vor die Grundsatzfrage: Sind wir bereit, unsere Sicherheit am Hindukusch mit aller Konsequenz zu verteidigen?

Von Robert Birnbaum

Drei Tote, wieder. Ein Gefecht, wieder. In Afghanistan herrscht Krieg. Das ist für andere Nationen nicht neu. Allein die britische Armee im Süden des Landes hat seit Jahresanfang rund 130 Gefallene zu beklagen – alle zwei Tage ein Toter. Die deutsche Politik hat sich selbst lange mit dem Gedanken an den ruhigen Norden beruhigt. Als es dort im vorigen Jahr kriegerischer wurde, kam das gerade recht, um Forderungen der Verbündeten nach Ausweitung der deutschen Kampfzone abzublocken: So ruhig sei es rund um Kundus nicht. Seit ein paar Wochen ist der Krieg im Norden angekommen. Gefahr geht nicht mehr allein von Selbstmordattentätern und ferngezündeten Bomben am Straßenrand aus. Patrouillen werden überfallen, müssen in stundenlangen Feuergefechten standhalten. Die jüngsten Toten werden nicht die letzten sein.

Die neue Lage trifft die Bundesregierung in einem Moment, der für besonnene Überlegungen ungünstig ist, zum Auftakt des Wahlkampfs. Das mag von den Taliban einkalkuliert sein. Die Wahlkämpfer – die Linke ausgenommen – würden das Thema am liebsten ignorieren. Aber das wäre falsch. Tatsächlich stellt die neue, die offene Kriegführung der Taliban die Bundeswehr und ihre politischen Auftraggeber vor die Grundsatzfrage: Sind wir bereit, unsere Sicherheit am Hindukusch mit aller Konsequenz zu verteidigen?

Lange sah diese Konsequenz ja so aus, dass deutsche Soldaten mit einem Freund-und-Helfer-Image versehen wurden. Gekämpft wurde, aber heimlich und nur, wenn es gar nicht anders ging. „Mit aller Konsequenz“ heißt heute etwas völlig anderes. Die Aufständischen legen es auf offene Gefechte an. Militärisch haben sie damit keine Chance auf Sieg. Psychologisch haben sie ihn sehr wohl. Denn die Menschen in den Dörfern Afghanistans gucken sich sehr genau an, ob die fremden Krieger nur sich selbst verteidigen und zulassen, dass die Taliban sich wieder einnisten – oder ob sie die Angreifer verfolgen und stellen. Über die Aussichten, dabei rasch die Oberhand zu gewinnen, darf man sich keiner Illusion hingeben. Aber ein Krieg, der ohne Konsequenz geführt wird, kostet Menschenleben – sinnlos.

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