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Meinung: Burger haben keine Bärte

Warum der Kreuzberger Protest gegen McDonald’s legitim ist

Schon lange hat kein Thema die Gemüter in Kreuzberg derartig bewegt wie der Bau eines amerikanischen Schnellrestaurants. Schnell waren massive Vorwürfe im Raum und wurden schiefe Vergleiche angestellt. Im Kern sei der Protest gegen McDonald’s in Kreuzberg nichts anderes als der Protest der Moscheegegner in Pankow, und im Wrangelkiez zeige sich linke Blockwartmentalität.

Mit Sicherheit bewegen die Kritiker von McDonald’s unterschiedliche Gründe. Einige erscheinen verständlich und nachvollziehbar, andere überhöht und obskur. Aber alles in allem handelt es sich bei der Frage um eine durchaus diskussionswürdige, ob es in dem mit Essensangeboten überaus gut versorgten Wrangelkiez eines vergleichsweise großen Schnellrestaurants mit Drive-in bedarf. Einiges mag dafür sprechen, diese Erweiterung des vorhandenen Angebots gelassen hinzunehmen. Es gibt aber eine ganze Reihe von guten Gründen, das Fast-Food-Restaurant abzulehnen.

Wenn Kritik von besorgten Kreuzberger Eltern, deren Kinder umliegende Schulen besuchen, von kleinen Gewerbetreibenden im Kiez und von Anwohnern, die durch einen McDrive zunehmenden Autoverkehr und die Vermüllung ihrer Nachbarschaft befürchten, geäußert wird, ist diese nachvollziehbar und hat ihre Berechtigung. Und schließlich platzt die Eröffnung mitten in die gesellschaftliche Debatte über ungesunde Ernährung und übergewichtige Kinder, über Umweltzerstörung und Klimawandel infolge des Raubbaus an ökologischen Ressourcen. Darauf beruht der sich formierende Kreuzberger Protest gegen McDonald’s. Und klar ist auch: Kreuzberg wird nicht schöner oder lebenswerter durch die Eröffnung einer weiteren Filiale von McDonald’s.

Ärgerlich an der pauschalen Diffamierung jeglicher Kritik ist auch, dass hier bürgerschaftliches Engagement – sonst allerorten vermisst – einfach abgebügelt wird. Eine lebenswertere Stadt wird sich kaum als freies Spiel der Kräfte entwickeln. Stadtentwicklung, die auf Verkehrsberuhigung, Wohnumfeldgrün und Kinderspielplätze setzt, braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger, die die Gestaltung ihres konkreten Lebensumfeldes kontrovers diskutieren und kritisch begleiten.

Demgegenüber muten die Heinersdorfer Proteste gegen den dortigen Moscheebau sehr engstirnig an. Nicht wenige erkennen darin puren Rassismus; die NPD unterstützt den Protest jedenfalls eifrig. Das Ziel dort ist der Erhalt von Homogenität, es geht um die Abwehr alles Unbekannten, Fremden.

McDonald’s ist hingegen alles andere als fremd. Vielmehr sind die immer gleichen Restaurants mit dem immer gleichen Angebot aus allen Teilen der Welt wohlbekannt. Und homogen ist der Wrangelkiez – trotz aller Anwürfe in Richtung Ökospießerparadies – nun wahrlich nicht. Mit Eis-Aldemir in der Falckensteinstraße, dem Hähnchenhaus in der Görlitzer Straße und dem Bagdad am Schlesischen Tor sowie den zahlreichen weiteren Bars, Kneipen, diversen Schnellimbissen und Restaurants im Wrangelkiez besteht ein breitgefächertes kulinarisches Angebot.

Außerdem zeichnet sich der Wrangelkiez durch seine Bewohnerinnen und Bewohner aus fast aller Herren Länder, ein zum Teil enges nachbarschaftliches Verhältnis und ein reichhaltiges Kulturangebot aus.

Deshalb geht es beim Protest gegen McDonald’s nicht um den Erhalt von Homogenität, sondern gerade gegen die mit McDonald’s verbundene weltweite Gleichmacherei. Glücklicherweise gibt es in Berlin noch viele, die nicht in den immer gleichen Einkaufszentren einkaufen und den immer gleichen Schnellrestaurants essen wollen. Die stattdessen einen möglichst großen Teil der Stadt zum Ausleben von Individualität, Kreativität und Experimenten nutzen wollen und werden. All jene sind im Wrangelkiez weiterhin herzlich willkommen. In Heinersdorf wohl eher nicht.

Der Autor ist Mitglied der Grünen und vertritt den Wrangelkiez im Berliner Abgeordnetenhaus.

Dirk Behrendt

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