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Zurückgerudert - zumindest ein bisschen: Bushido im TV-Interview.

© dpa

Bushidos Musik: Kein Fall für den Index

Bushidos Musik ist schlecht, seine Zeilen nicht besonders originell. Trotzdem: Seine Musik erfüllt einen Zweck. Sie öffnet dem breiten Publikum eine Tür zu einem Genre und zeigt, war dahinter steckt. Dass sie damit provoziert - geschenkt. Jede Zeit hatte ihre Provokateure. Interessant ist eher der Blick auf das Publikum.

Bushido ist wichtig. Und vielleicht muss man sogar dankbar sein. Nicht um seiner selbst willen. Denn Bushidos Musik ist schlecht gemacht, seine Raps auch abseits der Beleidigungen sind nicht sonderlich originell. Und seine Fangemeinde schrumpft. Aber Bushido und die Debatte um seine Musik erfüllt einen anderen Zweck: Sie ist für das breite Publikum ein Türöffner zum Genre dahinter und sie zeigt, wie kurzlebig die Liaison von Politik und Pop ist.

Nicht Rap per se ist homophob, fremdenfeindlich, sexistisch und beleidigend. Im Gegenteil. Er ist vielleicht die letzte relevante Jugendkultur. Aber eine bestimmte Spielart ist es, worauf die breite Masse jetzt aufmerksam wird und wovor sie erschrickt. Aber was war eigentlich zuerst da? Verfestigen sich im Gangsta-Rap ohnehin vorhandene Ressentiments oder entstehen sie dort? Am Ende bleibt es vor allem ein Geschäft, das Stimmungen bedient. Insofern ist das eigentlich Erschreckende weder Bushido noch seine Gangsta-Kollegen, sondern der Boden, auf den die Musik fällt. Zumal die Fans der Musik nicht allein in schwierigen sozialen Milieus zu finden sind.

Ein Fall für die Zensur ist das dennoch nicht. Pop ist nicht immer nur schillernd, bunt und oft politisch belanglos, es ist manchmal zudem Spielfläche des Bösen, der dunklen Seite. Und die übt, wenn sie gut gemacht ist, auch eine Anziehungskraft aus. Unsere westliche Gesellschaft sollte aus gut 50 Jahren Popgeschichte eine gewisse Gelassenheit ziehen und wissen, dass nicht alles, was gerappt, gesungen oder auch gedichtet, getextet, gefilmt oder auf einer Bühne aufgeführt wird, von den Rezipienten gleich eins zu eins umgesetzt wird.

Auch hatte jede Zeit ihre Provokateure: Die Stones und die Beatles waren es zu ihrer Zeit, Die Ärzte waren es mal in den achtziger Jahren. Techno provozierte in den 90er Jahren durch seine kalte Sprachlosigkeit. Geblieben ist der Gangsta-Rap.

Hinnehmen muss man Bushidos Beleidigungen aber nicht. Im Gegenteil: Es ist richtig, dass Klaus Wowereit Strafanzeige stellt. Denn das Verhältnis von künstlerischer Freiheit und persönlicher Beleidigung sollte keine Jury oder ein Gremium ausloten, sondern ganz nüchtern ein Gericht. Alles andere ist eine Geschmacksfrage, über die im Zweifel das Publikum entscheidet. Bei Bushido hat es schon entschieden: Ihm laufen die Fans davon. Gut so.

Und, ja, man gibt Bushido mit der Debatte gleichzeitig auch eine Plattform und Aufmerksamkeit. Aber das ist ein Preis, den es wert ist zu zahlen, um ein Schlaglicht dorthin zu werfen, wo es dunkel ist und nur die Edelkarossen glänzen.

Und die Politik? Sie sucht entweder die Nähe zur Pop- und Jugendkultur, weil es so verführerisch einfach erscheint, ein Publikum zu erreichen, das man sonst auf Parteiveranstaltungen nicht zu Gesicht bekommt. Oder sie ruft nach Verbot. Beides funktioniert nicht. Die Anbandelung scheitert, weil die Systeme zu unterschiedlich sind. Politik lebt auch von Verlässlichkeit, Seriosität, Kompromiss, Kultur dagegen von der Provokation, der künstlerischen Freiheit.

Musik zu indizieren, um sie nur über 18-Jährigen zugänglich zu machen, hat ebenfalls noch nie funktioniert. Als ob man Musik wegsperren könnte, gerade heutzutage, wo Musik Daten sind, die sekundenschnell ausgetauscht werden können. Musik ist mehr denn je grenzenlos, auch altersgrenzenlos. Man wird wohl einiges aushalten müssen. Was nicht auszuhalten ist, sollte die Justiz entscheiden, insofern gehört Bushido nicht auf den Index, aber vor Gericht.

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