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Meinung: Bushs zweite Wiedergeburt

Die letzten Jahre könnten die besten seiner Amtszeit werden

George W. Bush sitzt fest: im irakischen Sumpf und im Umfragetief. In den zwei Jahren seit der Wiederwahl 2004 ist er vorzeitig zur „lame duck“ geworden. Ob Sozialhilfereform, neues Einwanderungsgesetz oder Antiterrorpolitik – das meiste, was er anpackte, scheiterte. Und da hatten seine Republikaner noch die Mehrheit. Jetzt sind die Demokraten an der Macht im Kongress, Bush hat das Vertrauen der Bürger verloren. Was soll man da erwarten von den zwei Jahren, die ihm noch bleiben – außer, dass er sich das Etikett „schlechtester Präsident aller Zeiten“ vollends verdient?

Doch sie könnten zu den besten seiner Amtszeit werden – sofern er auf dem Pfad bleibt, den er mit seiner Rede an die Nation eingeschlagen hat. Da gab er einen Präsidenten, der die neuen Machtverhältnisse akzeptiert und sie nutzen will – nutzen auch für das, was an der konservativen Mehrheit gescheitert war. Bush bietet den Demokraten an, mit ihnen die Krankenversicherung für alle einzuführen. Und einen neuen Anlauf zu einem modernen Immigrationsrecht zu nehmen: ein offizielles Gastarbeiterprogramm, um den Druck aus Mittel- und Südamerika zu mildern, samt Amnestie für Millionen Illegale, die schon da sind.

Der Kyoto-Gegner wird nun auch endlich zu einem Partner für Europa im Klimaschutz. Er spricht nicht mehr vom „sogenannten“ Klimawandel, sondern von einem „ernsten“ Problem. Er, der als Öljunkie galt, verlangt die Abkehr vom arabischen Öl, will saubere Diesel und Biotreibstoffe fördern, um Amerikas Benzinverbrauch „um 20 Prozent in zehn Jahren“ zu reduzieren. Diese Politik hat in den USA zwar ein anderes Etikett, „Energiesicherheit“, aber in der Praxis meint sie dasselbe, was Deutschland mit dem Ziel Klimaschutz verbindet.

Nur: Darf man Bushs Wende trauen oder sind das leere Versprechen einer Schönwetterrede, die ihn aus der innenpolitischen Defensive befreien soll? Es gab auch Redepassagen, die den Sturkopf zeigen, unfähig zur Korrektur. An seiner Irakpolitik hält er fest, zur Empörung der Demokraten.

Für Bush spricht: Er glaubt an die Wiedergeburt und an die zweite Chance. Mit göttlicher Hilfe hat er sich vom Alkohol befreit, wurde als „reborn Christian“ auf den rechten Weg geführt. Jetzt wendet er sich zum überparteilichen Präsidenten. Es gibt Vorbilder für den erfolgreichen Schwenk gegen die eigene Basis, gestützt auf eine neue Mehrheit. Bill Clinton, zum Beispiel, hat es unter umgekehrten Vorzeichen demonstriert. Die Jahre unter dem demokratischen Präsidenten mit einem republikanischen Kongress sind den Bürgern als goldene in Erinnerung. Ronald Reagan wechselte nach dem Iran-Contra-Skandal Mitarbeiter und politisches Programm aus. Die Amerikaner verehren ihn bis heute.

Das größte Risiko ist Bushs Charakter. Ihm fehlt Clintons Geschmeidigkeit und Reagans Großzügigkeit im Umgang mit dem Gegner. Wenn Bush sich überwindet, wenn er die Kooperation mit den Demokraten nicht taktisch, sondern strategisch betreibt, dann werden die letzten zwei Amtsjahre keine verlorene Zeit, sondern können zum Gewinn für Amerika und für die Welt werden. Nur dann.

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