zum Hauptinhalt

Meinung: CDU I: Pusten genügt

Ein Hauch von Tragik umweht die Union. Zweimal hat sie die Regierung Schröder an den Abgrund getrieben, zweimal ist sie am Ende gescheitert.

Ein Hauch von Tragik umweht die Union. Zweimal hat sie die Regierung Schröder an den Abgrund getrieben, zweimal ist sie am Ende gescheitert. Erst kamen die Geldkoffer, dann kam das Fahndungsplakat. Natürlich sind illegale Spenden etwas anderes als ein überzogener Angriff auf den Kanzler. Doch der zweite Fehlschlag hätte sich vermeiden lassen, wenn die Union die richtigen Lehren aus der ersten Blamage gezogen hätte. Beide waren selbstverschuldet.

Sich gleich zweier kapitaler Chancen zu berauben, das muss eine Opposition erst einmal hinkriegen. Rot-Grün hat im ersten Jahr allerhand Dilettantisches abgeliefert und Landtagswahl für Landtagswahl die Quittung bekommen. Kohls Skandal hat sie gerettet. Im zweiten Amtsjahr war Schröder besser - bis nachlassende Sekundärtugenden und BSE die Regierung erneut in die Enge treiben. Sieben Minister sind schon weg, manche aus gutem Grund, manche wegen mangelnden Willens zum Aussitzen. Weitere wurden ins Wackeln gebracht: Fischer und Trittin wegen ihrer linksextremen Vergangenheit, Scharping wegen der Uran-Munition. Die Chance der CDU.

Alles verspielt. Und zwar nicht wegen eines überzogenen Plakates. Sondern wegen eines Problems, dem das Plakat Ausdruck gab: ein falsches Verständnis, was Konflikt ist und wo man ihn einsetzt. Die meisten Wähler wissen heutzutage, dass inhaltliche Frontstellungen aus taktischen Gründen aufgebaut werden. Ob Steuer, Rente oder Gesundheit: Die Bürger täten sich schwer, die hochgespielten Unterschiede zwischen Christ- und Sozialdemokraten auch nur zu benennen. Da hilft nur eins: besser sein. Die Union gewinnt 2002, wenn sie als besserer Schröder gilt. Wenn es in der Regierung kriselt, duckt man sich besser. Nachtreten kommt nicht gut an.

Kohl trieb illegale Spenden ein, weil er sich im politischen Kampf benachteiligt glaubte, vor allem in Ostdeutschland. Die Spenden dienten einem überdehnten Angriff. Das Verbrecherfoto Schröders auch. Als Treppenwitz darf die Erklärung des Chefs im Spenden-Untersuchungsausschuss gelten, der Verdacht der Bestechlichkeit gegen Kohl sei zerstreut. Noch sind große Themenkomplexe zu klären: Elf Aquitaine, der Verkauf der Eisenbahner-Wohnungen. Doch momentan zeichnet sich ein frustrierend kleinliches Bild ab: Der Ex-Kanzler nahm das Schwarzgeld tatsächlich nur, um die Sozis niederzukämpfen. Das drastische Mittel diskreditiert das Ziel.

So auch beim Schröder-Plakat. Wenn der Gegner wankt, pustet man. Und schießt nicht aus vollen Rohren. Das Auseinanderfliegen von Regierungen und Koalitionen hat noch stets die beste Eigendynamik entwickelt, wenn es sich ungestört entwickeln darf. Die Union kann sich die Lehre in den USA abschauen. Dort haben Konservative gerade eine erfolgreiche Mitte-Links-Regierung aus dem Amt gejagt. Alle Parteien zittern davor, "negativ" zu erscheinen. George W. Bush ist ins Weiße Haus gekommen, weil er ein Konservativer ist, der niemanden erschreckt. Wenn Angela Merkel ins Kanzleramt möchte, muss sie die Mitte gewinnen. Solange die Union kommuniziert, sie sei im Kriegszustand, nährt sie den Überdruss an sich selbst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false