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CDU: Merkels nützliche linke Flanke

Frauenquote, Mindestlohn, Altersarmut: Gleich drei Parteifreundinnen fahren Angela Merkel mit ihren Vorstößen in die Parade. Doch was nach Krach aussieht, könnte der Kanzlerin in Wahrheit sogar nützen.

Von Robert Birnbaum

Es ist noch gar nicht lange her, dass ein damals steil nach oben strebender CDU-Politiker über eine ebensolche Parteifreundin das knappe Urteil fällte: „Ursula von der Leyen – das ist nicht CDU!“ Er hat das weniger persönlich gemeint als allegorisch. Aus Sicht der Erbwalter der guten alten CDU ist die Ministerin so etwas wie der leibhaftige Angriff des Zeitgeistes auf den Kern dessen, was dieser CDU einst lieb und teuer war: das Frauenbild, das Familienbild, das Bild vom richtigen Leben. Von der Leyen gilt in diesen Kreisen als Störfall.

Spätestens an diesem Freitag müsste der guten alten CDU allerdings klar geworden sein, dass die Störung sich ausbreitet. Eine CDU-Ministerpräsidentin – Annegret Kramp-Karrenbauer aus Saarbrücken – verhilft im Bundesrat einem Gesetzentwurf für eine Frauen-Pflichtquote in den Führungsetagen der Wirtschaft zur Mehrheit. Eine zweite CDU-Ministerpräsidentin – Christine Lieberknecht aus Erfurt – setzt auf gleichem Wege einen Gesetzentwurf für einen allgemeinen Mindestlohn auf die Tagesordnung. Von der Leyen selbst hat der CDU gerade erst eine Debatte über Altersarmut aufgezwungen, aus der ihre Partei nur heil wieder rauskommt, wenn sie das aufgeworfene Problem löst.

Man könnte all diese Bewegungen vordergründig als Vorbereitungen für die nächste große Koalition lesen und speziell der ehrgeizigen Arbeitsministerin dabei Karriere-Hintergedanken unterstellen. Aber die bloß taktische Betrachtung greift zu kurz. Was da gerade passiert, ist der Einbruch langfristiger gesellschaftlicher Veränderungen in eine Volkspartei. Anders als bei der Wehrpflicht und beim Atomausstieg kommt die Neuzeit allerdings nicht überfallartig über die CDU, sondern mit sehr, sehr langem Anlauf.

Nehmen wir die Frauenquote. Das Thema treibt die Partei seit dem Essener Parteitag 1985 um, als Heiner Geißler eine „neue Partnerschaft“ der Geschlechter ausrief. Noch 1995 scheiterte ein Quorum für Parteigremien, obwohl Helmut Kohl sich dafür starkmachte. Noch 2010 zerriss es fast einen CSU-Parteitag. Aber am Ende stand in den Statuten ausgerechnet der Partei, die sich als Sachwalterin der guten alten C-Orientierungen geriert, eine Quotenpflicht in Führungsgremien.

Damals hat die aufmunternde Rede einer gewissen Angela Merkel an den Parteitag die Bayern-Quote sehr befördert. Dass die CDU-Chefin über die jetzigen Vorstöße ihrer eigenen Parteifreundinnen nur unglücklich wäre, wird man darum nicht sagen können. Kohl hatte seine Rita Süssmuth, Merkel hat ihre von der Leyen; beide oft nervig, aber nützlich: Sie decken Flanken nach links ab. Erst das erlaubt es der Kanzlerin, sich mittig hinter ein Modell wie die „Flexi-Quote“ der jungkonservativen Familienministerin Kristina Schröder zu stellen und der CSU ihr Betreuungsgeld zu garantieren. Dem übrigens ironischerweise ebenfalls seit diesem Freitag dank eines Kompromisses eine Parlamentsmehrheit sicher ist.

Das alles heißt nicht, dass die Vorstöße der renitenten Frauen für Merkel ungefährlich wären. Brisant ist weniger der Inhalt als der Zeitpunkt. Streit in Zeiten des aufziehenden Wahlkampfs, schwierige Abstimmungen im Bundestag – das birgt Risiken. Und die Vorschläge provozieren, wieder mal, Konservative, Wirtschaftskonservative und die FDP. Doch gegen breite gesellschaftliche Strömungen ist nun mal schwer anschwimmen. Der Mann, für den Ursula von der Leyen nicht CDU war, ist längst Geschichte. Das Objekt seiner Abneigung hingegen hat noch eine ganze Menge vor.

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