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CDU-Parteitag: Wer füllt die Lücken in Merkels CDU?

Die CDU bekommt beim heutigen Parteitag ein neues personelles Profil. Karlsruhe wird weniger Ort christdemokratischer Gewissheit, als einer von Ungewissheit sein. Gerade das Ländle steht für eine neue Orientierung des Bürgertums.

Von Antje Sirleschtov

Als 2008 der letzte CDU-Parteitag seine Vorsitzende zu wählen hatte, war der Tagungsort, Stuttgart, noch ein Hort christlich-demokratischer Machtgewissheit. Die Kanzlerin steuerte das Land an der Spitze einer kraftvollen großen Koalition durch die Apokalypse der Finanzkrise und Roland Koch galt dem Parteivolk als verlässlicher Garant all dessen, was ein CDU-Mitglied mit konservativ bezeichnet. Nein, rosig war auch der Winter 2008 nicht. Und doch mag manchem, der jetzt, beim Parteitag in Karlsruhe, den Blick über seine Parteioberen schweifen lässt, ein wehmütiges Ach entweichen. Was für Zeiten waren das doch, als man das „C“ nur erwähnen musste und sich ansonsten auf das Soziale in der freiheitlichen Marktwirtschaft berufen durfte, und schon war man mitten in Deutschlands mächtigster Partei angekommen.

Doch die Zeiten ändern sich schneller, als man denkt. Und mit ihr gerinnen vergangene Gewissheiten zur bangen Zukunftsfrage für die CDU: Was soll werden, wenn sich in Stuttgart ältere Bürger nicht mehr nur an Bahnhofstore ketten, sondern im März ihre Regierung aus dem Amt jagen – trotz brummender Wirtschaft und Vollbeschäftigung? Und was, wenn das Schottern in Gorleben nur die Vorstufe war für das massenhafte Bekenntnis christlicher Familien zu grünen Regierungschefs? Einen Herbst der Entscheidungen hatte Angela Merkel ihrer Partei im letzten Sommer versprochen, damit die all die Schmach des verpatzten schwarz-gelben Regierungsstartes vergessen könnte.

Entscheidungen hat es auch gegeben, zur Genüge. Nun aber naht Weihnachten, und noch immer will bei den Christdemokraten keine rechte Freude aufkommen. Was wird, wenn Wolfgang Schäuble nicht mehr stabilisierender Anker in Partei und Regierung sein kann oder will? Wenn 2011 gar zum Jahr der großen Abrechnung mit der CDU werden wird?

Angela Merkel wird in Karlsruhe keine Zweifel daran lassen, dass sie ihre Partei auch durch solche Stürme manövriert. Sie wird das neue deutsche Wirtschaftswunder beschwören und die Kraft der CDU zum Schuldenabbau. Sie wird ihre Stärke bei der Rettung des Euros und der Stabilisierung Europas betonen, wird christliche Werte als Fundament erfolgreicher Integrationspolitik und den Umbau der Bundeswehr als Beleg für die Fähigkeit der Union loben, bewahren und gleichzeitig modernisieren zu können. Und vieles davon ist ja auch richtig.

Und doch wird Karlsruhe weniger Ort christdemokratischer Gewissheit als einer von Ungewissheit sein. Denn die Stärke der Frau, die seit zehn Jahren an der Spitze der CDU steht, lag bisher vor allem darin, die vielen unterschiedlichen Strömungen der Volkspartei ausbalancieren zu können. Diese Strömungen fanden Kraft und Selbstvergewisserung in einflussreichen Flügeln, ihre Hoffnungen spiegelten sich an ebensolchen Personen an der Spitze der Partei. Doch von all dem ist nicht viel übrig, so, wie überall tradierte gesellschaftliche Bindungen verschwinden und neue nur schwer entstehen, zumal solche, die für Parteien berechenbar sind. So hinterlassen die alten Recken auch in der CDU Lücken, von denen noch niemand weiß, ob die Neuen, von Norbert Röttgen über Ursula von der Leyen, Volker Bouffier bis David McAllister, sie ausfüllen können. Zum Balancieren gibt es für Angela Merkel nicht mehr viel. Sie wird das Gesicht der Partei mehr denn je selbst vorzeichnen müssen. Merkels Herbst der Entscheidungen: Er wird länger dauern, als sie geplant hatte.

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