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CDU: Plus / minus 40

Oettinger, Koch, Rüttgers – alle weg: Binnen weniger Wochen verjüngt sich die CDU. Darin steckt eine große Chance und eine große Gefahr.

Von Robert Birnbaum

Nun also auch noch Jürgen Rüttgers. Fünf Jahre hat der Nordrhein-Westfale der CDU den Arbeiterführer gegeben. Eine kurze Zeit, die sich länger anfühlte, auch weil Rüttgers seit mehr als zwei Jahrzehnten zum politischen Inventar gehörte – nie im Zentrum, am Rand stets sichtbar. Dass seine Zeit abgelaufen war, war seit der Landtagswahl klar. Trotzdem markiert sein Verzicht auf politische Zukunft eine Zäsur. Der Letzte unter Angela Merkels alten Widersachern gibt auf. Die Zeit der Neuen naht.

Der Vorgang ist an sich nichts Ungewöhnliches. Politik verschleißt, heute schneller denn je. Wer jenseits der 60 ein Spitzenamt bekleidet, verdankt das historischen Zufällen. Ungewöhnlich ist nur das Tempo, in dem die CDU in ihre Verjüngung poltert. Oettinger, Koch, jetzt Rüttgers, letztlich auch Wulff – binnen Wochen verschwindet eine Generation aus der aktiven Gestaltung der Republik. Angela Merkel, 55 Jahre, CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, sieht da auf einmal relativ alt aus.

Dass der Abgang solch prägender Figuren einen Verlust bedeutet, steht außer Frage. Jeder Einzelne mag nur eine begrenzte Zahl von Menschen gebunden haben; zusammen ergaben sie ein Bild von der Volkspartei CDU. Den Rahmen müssen jetzt andere ausfüllen. Damit stellt sich die übliche Frage: Können die das?

Die Antwort wird für jeden Einzelnen unterschiedlich ausfallen, aber die Einzelnen sind nicht entscheidend. Es hat in der CDU immer Starke und Schwache gegeben, Überschätzte und Kleingehaltene. Entscheidend ist, wie die Truppe als Kollektiv wirkt. Helmut Kohl hat eine Kampfgemeinschaft durch Nachkriegszeit und Kalten Krieg geführt. Das zentrale Erlebnis der Ausgeschiedenen war 1968, auch das ein stark gemeinschaftsstiftendes Moment. Die neue Generation ist diffuser geprägt, Tschernobyl spielt noch, die Allgegenwart des Internets schon eine Rolle für ihr Bewusstsein.

Darin steckt eine große Chance und eine große Gefahr. Die Gefahr ist offensichtlicher: eine CDU, in der alles geht und alles gleich gilt und in der nur noch Machtkämpfe ausgetragen werden, aber keine mehr um Positionen. Dass mit Angela Merkel eine Frau mit programmatisch unscharfem Programm die Kämpfe der früheren Generation gewonnen hat, wirkt dieser Tendenz ja nicht direkt entgegen.

Aber in der gewaltsamen Erneuerung steckt auch Chance. Die Generation plus/minus 40 kommt früh genug in Entscheidungspositionen. Sie ist nicht vom Krieg gegen zähe Alte verschlissen, sie kann es sich umgekehrt nicht mehr hinter Gönnern bequem machen. Namen wie Mappus und McAllister, Röttgen und Krautscheid, von der Leyen, Lieberknecht und Schröder stehen künftig für die CDU. Darin steckt eine Verantwortung, die größer ist als das Amt, das jeder von ihnen bekleidet oder anstrebt. Es geht dabei nicht um Programmentwürfe, um Schlagworte, nicht mal um Wahlerfolge. Die Zukunft der Volkspartei CDU hängt daran, ob sie wieder ein Bild ergibt. Das kann bunt sein. Aber es braucht so etwas wie eine Grundfarbe.

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