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CDU-Programmdebatte: Etwas muss passieren …

… aber ändern soll sich nichts: Die Neokonservativen in der CDU entdecken die Werte.

Von Robert Birnbaum

Was ist der Unterschied zwischen einem Helden und einem politischen Helden? Der politische Held hat den Drachen, gegen den er kämpft, vorher selber grauslich angemalt und aufgepumpt. So ist das seit geraumer Zeit mit allen, die sich daran versuchen, dem Konservativen in der Union eine Stimme zu geben – oder, wie sie selber trotzig formulieren, „wieder“ eine Stimme zu geben. Der jüngste Versuch liegt jetzt schriftlich vor, als Manifest, das die CDU-Programmdebatte ergänzen soll. Auch er ist nicht frei vom Drachentötersyndrom.

Dabei haben die vier Autoren – vom CSU-General Söder über den Stuttgarter CDU-Fraktionschef Mappus zu den Jungkonservativen Mißfelder und Wüst – eins ganz richtig erkannt: Es gibt in dieser Gesellschaft einen weit verbreiteten Konservativismus des Alltags. Sehr viele Menschen wünschen sich nichts sehnlicher, als dass alles so bleibt, wie es ist – und nicht tagtäglich alles immer schwieriger werde. Weil sie diesen Wunsch ignoriert hat, sind die Radikalreformerin Angela Merkel und ihre CDU 2005 beinahe gescheitert. Die Kanzlerin Merkel hat daraus gelernt. Auf ihrer Fahne steht neuerdings „Teilhabe für alle“.

Die selbst ernannten Neokons aber wollen es gleich eine Nummer größer. Also malen sie den Drachen eines von „68“ geprägten Zeitgeists, der alte Tugenden und Institutionen niedertrampelt: Kirche, Schule, Elternhaus, Fleiß, Anstand, Fairness. Das Monstrum wollen sie bekämpfen. Womit? Mit Werten. Leider sind sie damit ein bisschen spät dran. Dass die Bewahrung der Schöpfung ein bürgerlich-konservatives Ziel ist, wäre 1980 eine politische Erkenntnis gewesen – im Jahre 2007 ist es ein eher komischer Versuch, verlorenes Terrain zurückzuerobern.

Zum Etikettenschwindel wird das Label „konservativ“ erst recht, wenn die Drachentöter sich für die Familie in die Bresche werfen – dann aber hinten nur rauskommt, dass man, gewiss, mehr Kinderkrippen braucht, aber auch ein Betreuungsgeld. Oder wenn sie die soziale Marktwirtschaft neu beleben wollen – aber hinten nur herauskommt, dass Unternehmer sich anständig verhalten sollen und jeder Mensch seinen Lebensunterhalt selbst erarbeiten können müsse. Das könnte Kurt Beck nicht schöner sagen. Nur wie das Wunder sich vollziehen soll, haben die Kämpfer vergessen zu erwähnen. Vielleicht wissen sie es einfach auch nicht so recht.

Und vielleicht ist das der tiefere Grund dafür, dass das Konservative in der CDU seit Jahren kein Gesicht mehr hat und nur eine allgemein murrende Stimme. Die Drachentöter leugnen nicht, dass Reform nötig ist. Sie finden nur tröstlichere Begründungen dafür. Aber gegen die Zumutungen der Globalisierung hilft Haltung nicht. Und an den Brüchen der Moderne nutzt sich klare konservative Kante ganz schnell ab.

Das immerhin bildet das offizielle CDU-Programm in all seiner Unschärfe gut ab. Das Quartett der Drachentöter will dem Eindeutigkeit entgegensetzen. Eindeutig sind aber nur die Begriffe. Sobald es konkret wird, gehen die Helden Kompromisse ein. Das ist sogar klug. Nur – was ist daran nun so besonders konservativ?

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