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Meinung: CDU vor der Wahl: Gefährlich gut beraten

Wahlkampf in Berlin, ohne die jüngste Vergangenheit im Blick zu haben gleicht dem Versuch, in der Sonne spazieren zu gehen, ohne einen Schatten zu werfen. Was war, ist hier immer präsent.

Wahlkampf in Berlin, ohne die jüngste Vergangenheit im Blick zu haben gleicht dem Versuch, in der Sonne spazieren zu gehen, ohne einen Schatten zu werfen. Was war, ist hier immer präsent. Das stört die SPD, weil die denkbare Koalition mit der PDS die schlimmen Erfahrungen der Teilung zu negieren scheint. Und es stört natürlich noch mehr die PDS selbst, weil sie sich für einen Teil der Lösung und nicht für einen Teil des Problems hält. Was diese beiden Parteien wortgewandt zu übergehen trachten, hat die CDU verständlicherweise in den letzten Wochen in die Mitte der Debatte gerückt. Die PDS in einer Landesregierung, das ist für die Christdemokraten so etwas wie ein potenzieller Wiederholungstäter im Maßregelvollzug. Und auch wenn nun alle den Blick nach vorne richten, werden diese Themen uns weiter begleiten - wie der Schatten.

Den Blick nach vorne - für die SPD und die Grünen ist das zunächst einmal ganz einfach demokratische Machtpräsenz des Regierenden Bürgermeisters und seiner Senatoren. Staatstragend-inhaltsfreie Interviews kann Wowereit jedenfalls schon geben, als habe er 18 Jahre Übung darin. Es gibt freilich Ausnahmen. Seine Hinweise auf notwendige Sparmaßnahmen im Öffentlichen Dienst zeugten von fast trotzigem Mut - oder von mangelnder Routine. Seine Finanzsenatorin Christiane Krajewski zeigt im Bemühen um die Sanierung der Bankgesellschaft durchaus Geschick. Ansonsten wird taktiert nach Schröders Devise der ruhigen Hand. Wowereit will möglichst wenig Staub aufwirbeln, um bis zum 21. Oktober seine Klientel nicht zu verschrecken. Bereits jetzt zeigt sich, dass die christdemokratische Hinhaltetaktik im Streit um den Wahltermin, so ärgerlich sie empfunden wurde, für die Union und ihren Spitzenkandidaten nützlich war. Je länger es bis zum Wahlgang dauert, desto mehr Fehler können Wowereit unterlaufen, desto schwächer wird die Erinnerung an den ehemaligen CDU-Übervater Landowsky und die Bankenmisere, desto intensiver verankert sich der Name Steffel im Kurzzeitgedächtnis der Berliner.

Und Steffel nutzt seine Zeit. Man mag über seine Beraterkampagne lächeln, aber sie ist geschickt gestückelt, sorgt dadurch für immer neue Medienpräsenz und sie ist zielgenau. Erst Günter Schabowski und Joachim Zeller für die Profilbildung im Ostteil der Stadt, nun Manfred Gentz, Lothar Späth, Horst Teltschik und Eric Schweitzer als Ausweis der Wirtschaftskompetenz vor allem im Westen, da, wo die CDU erneut die wahlentscheidenden Stimmen holen will - und wo sie, nebenbei, durch gezielte Kompetenz- und Verantwortungsdemonstration den für sie gefährlichen Intellektuellen-Flirts mit Gysi den Boden entziehen will.

Wie das? Eric Schweitzer ist wichtig fürs Berlingefühl und für die in die Verantwortung hineinwachsende Generation der Mitdreißiger. Aber für die historische Dimension und auch für die langfristigen internationalen Perspektiven der Stadt sind Gentz, Späth und Teltschik die Pfunde, mit denen Steffel wuchern kann. Diese drei sind ja nicht nur für diesen Frank Steffel, sondern vor allem gegen ein Bündnis mit der PDS. Sie nennen als Übel beim Namen, was Wowereit bestenfalls für eine Unpässlichkeit hält. Und da alle drei in der CDU weder etwas werden wollen, noch etwas werden müssen, können sie ihre Sicht der Dinge mit großer Unbefangenheit vortragen. Unbefangen, was die von ihnen offensiv betriebene Brandmarkung der PDS betrifft. Unbefangen aber auch, wo es um wirtschaftliche Leitbilder geht. Das ist gut für die CDU, aber gefährlich gut für Steffel. Ihm bescheinigen die drei Manager, er sei beratungswillig und beratungsfähig. Das heißt unausgesprochen: Mit Beratungsresistenten werden sie nicht die Zeit vertun. Sie setzen, das war gestern unüberhörbar, auf eine neue CDU. Mit dem alten Filz wollen sie nichts zu tun haben, eine weitere oder gar erneute Vermischung von Wirtschaft und Politik wird es mit ihnen nicht geben.

Was sie fordern ist nichts weniger, als dass sich die CDU von ihren Altlasten trennt.

Gerd Appenzeller

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