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Meinung: Circus Maximus

Von Wolfgang Prosinger

Es gibt in Rom zurzeit viel Grund, zum Himmel zu schauen. Weil von dort die guten Nachrichten kommen. Weiß standen gestern abend die Rauchzeichen über der Sixtinischen Kapelle, das erlösende Weiß, das verkündete: Die Zeit der Unsicherheit ist vorüber.

Ein paar hundert Meter östlich vom Petersplatz, im römischen Regierungsviertel, gibt es solche Gewissheiten nicht. Deshalb sind die Blicke zum Himmel hier eher verzweifelter, ja, flehentlicher Art: Möge doch eine höhere Macht Licht in diese irdische Finsternis bringen, in die Italiens Politik gestürzt ist. Aber die Zeichen des Himmels bleiben aus.

„Agonie“ nennt die Zeitung „La Repubblica“ den Zustand von Silvio Berlusconis Regierung. Seit ihrer verheerenden Niederlage bei den Regionalwahlen vor zwei Wochen windet sie sich in Krämpfen. Minister desertieren, die Chefs der verschiedenen Koalitionsparteien ergehen sich in dunklen Drohungen, der Ministerpräsident selbst will zurücktreten, dann will er plötzlich doch nicht, jemand ruft nach Neuwahlen, ein anderer nach Kabinettsumbildung und ein Dritter will eine Vertrauensabstimmung. Es geht drunter und drüber, und alles erinnert aufs Schönste an die berühmten Chaosjahrzehnte der italienischen Politik in den 60er, 70er und 80er Jahren, wo das Regieren meistens ausfallen musste, weil man mit dem Intrigieren so viel zu tun hatte.

Aber auch Winkelzüge werden Berlusconi jetzt nicht mehr viel helfen. Sogar wenn er im Parlament noch einmal das Vertrauen bekommen sollte – es wäre nur die Verlängerung der Agonie. Denn der Ministerpräsident hat nicht nur das Wohlwollen seiner Koalitionspartner verspielt, sondern auch das seiner Wähler. Berlusconi-Dämmerung liegt über dem Land. Da konnten die sechs von ihm kontrollierten Fernsehsender noch so hymnisch wie unsinnig die Großtaten ihres Herrn feiern, irgendwann merkte selbst der Wohlmeinendste: Dieser Kaiser ist nackt.

Mochten nach 2001, in den ersten Jahren seiner Regierungszeit viele noch beide Augen zudrücken, als Berlusconi sein Amt mit einem Selbstbedienungsladen verwechselte und ein Gesetz nach dem anderen erließ, das speziell auf seine Eigeninteressen zugeschnitten war. Dann aber merkten die Italiener, dass es ihnen persönlich ans Portemonnaie ging: Die Preise steigen, die Wirtschaft stagniert, das Haushaltsdefizit ist dramatisch. Das fand kürzlich auch die EU und drohte mit einem Strafverfahren.

Berlusconi, der Showman, der Herrscher der virtuellen Welt, ist eingeholt worden von der Banalität der Wirklichkeit. Darum wird seine Ära zu Ende gehen – eher über kurz als über lang. Und das ist gut so. Denn damit würde auch der jahrelange, verhängnisvolle Belagerungszustand der Demokratie ein Ende finden. Nicht, dass man für die Zukunft der italienischen Politik dann in allzu viel Optimismus ausbrechen sollte und von der derzeitigen Opposition um Romano Prodi – zerstritten, wie sie ist – Wunderdinge erwarten dürfte. Aber allein der Abschied vom Berlusconismus – das wäre so etwas wie weißer Rauch über ganz Italien.

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