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Games Convention

© dpa

Computerspiele: Lara Croft am Pranger

Einst galten Romane und Kino als gefährlich, heute trifft es die Computerspiele. Dabei sind sie längst Teil unserer Kultur.

Nun strömen sie wieder. 200.000 Besucher erwarten die Veranstalter der Leipziger Spielemesse Games Convention in diesem Jahr. Spiele sind ein Massenphänomen geworden. Jeder dritte Deutsche daddelt am Computer oder der Spielkonsole. Digitale Unterhaltung ist längst ein Teil unserer Kultur.

Umso erstaunlicher ist, auf welch armseligen Niveau die politische Debatte über das Kulturgut Computerspiel bei uns geführt wird. Typisch deutsch daran ist, dass es mal wieder nur um Verbote geht. Gefordert werden sie von Politikern in Berlin, Bayern und Niedersachsen, von denen die meisten noch nie ein Computergame gespielt haben dürften. „Killerspiele“ sollen vom Markt verschwinden. Aber welche gehören dazu? Und wie will man das Verbot im digitalen Zeitalter verwirklichen? Eine echte Herausforderung für eine künftige Internet-Schnüffelpolizei.

Dabei steht die Behauptung, Computerspiele machen dumm und gewalttätig, auf tönernen Füßen. Dagegen spricht schon die nackte Statistik. In den USA, dem Mutterland der Videospiele, ist die Jugendkriminalität im gleichen Maße zurückgegangen, in dem sich digitale Spiele ausbreiteten.

Auch die Deutschen müssten längst ein Volk von Amokläufern sein, wenn die Schreckensszenarien der Spielegegner denn zutreffen würden. Offenbar können die meisten Menschen zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. Egal, ob das Geschehen auf der Leinwand, auf Buchseiten oder dem Bildschirm stattfindet.

Ein Verbot von Spielen ist nur eine virtuelle Lösung. Das reale Problem vernachlässigter und vereinsamter Kinder und Jugendlicher wird nicht behoben, ja noch nicht einmal ernstlich berührt.

Wie alle neuen Medien vor ihnen haben es auch Computerspiele schwer, sich gegen öffentliches Misstrauen durchzusetzen. Das beginnt mit dem Auftauchen der Bücher. Schon Sokrates beklagte sich darüber, dass geschriebene Texte die Lernenden vergesslich machten und Bücher nicht das Gespräch ersetzen könnten. Im 18. Jahrhundert zersetzten Romane angeblich den Geist und die Moral der jungen Menschen, Anfang des 19. Jahrhunderts galt Walzermusik als Gefahr, im 20. war dann der Film die Verkörperung des Bösen, um später von Rock ’n’ Roll, Fernsehen und Comics abgelöst zu werden. Heute steht Lara Croft unter Verdacht.

Revolutionär an Computerspielen ist, dass der Spieler zum Helden wird. Er schlüpft in eine digitale Haut und kann sein Handeln selbst bestimmen. Er emanzipiert sich. Das ist der fundamentale Unterschied zu Romanen oder Filmen, in denen der Autor oder Regisseur den Leser oder Zuschauer an die Hand nimmt. Herausragende Spiele schaffen eine eigene Wirklichkeit – der alte Traum vom Gesamtkunstwerk wird wahr. Das macht sie zu einem Medium mit Zukunft. Andernorts, etwa in Frankreich oder Asien, hat man die Bedeutung der Spielemacher erkannt. Bei uns dauert das noch.

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