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Meinung: CSU: Wenn Bayern deutsch wird

Die deutschen Lande sind an Stämmen reich. Ihre Geschichte, Kultur und ihr Idiom markieren das Eigene und Unverwechselbare.

Die deutschen Lande sind an Stämmen reich. Ihre Geschichte, Kultur und ihr Idiom markieren das Eigene und Unverwechselbare. Und doch stellt sich nirgends die Frage, ob man im Wesen womöglich anders sei als anderenorts in Deutschland. Nur in Bayern schwingt diese Frage untergründig immer mit und produziert - gerade auch, wenn es politisch wird - merkwürdige Spannungen und Paradoxien. Kraftstrotzendes Selbstbewusstsein und verletzliche Seele, Eifer und Zweifel, Behauptung der Tradition und rastloser Aufbruch, Selbstgenügsamkeit und Anerkannt-Sein-Wollen jenseits der eigenen Grenzen: In keinem Landstrich Deutschlands liegen derart widerstreitende Elemente enger beisammen.

Die neo-bayerische, von Edmund Stoiber vor einigen Jahren ausgegebene Identitätsformel "Laptop und Lederhose" ist ebenso ein Beispiel wie die ältere, von Franz Josef Strauß verkündete Losung, dass die Bayern notfalls, wenn es der Rettung des größeren Vaterlandes diene, die letzten Preußen sein müssten. Im katholischen Rheinland, wo die früheren Besatzer Preußen nicht populärer sind, käme niemand auf die Idee, seine nationalpolitische Zuverlässigkeit durch ein Bekenntnis zum Verhassten zu beteuern.

Die Überanstrengungen und Verkrampfungen, die aus dem bayerischsten aller bayerischen Wesenszüge erwachsen - anders als die anderen, aber trotzdem kein Sonderling sein - lassen sich selbst am unbayerischsten aller Bayern beobachten, an Edmund Stoiber. Ja, stolz ist er schon, ganz ungeniert, auf sein Modell Bayern und jene Unionspartei, der er vorsteht. Was Herbert Riehl-Heyse damals, als schon einmal ein Mann aus dem Süden sich anschickte Bundeskanzler zu werden, spöttisch zuspitzte, dürfte der Kanzlerkandidat ganz ernst meinen: "CSU - die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat".

Zu dumm, dass dies in der Fremde, auf den Bund, nicht ohne weiteres übertragbar ist. Auch deshalb ist von missionarischem Eifer, ganz Deutschland zu bajuwarisieren, nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: Der Kanzlerkandidat verfremdet sein Erfolgsmodell bei der Präsentation seines politischen Führungsanspruchs für das ganze Deutschland ins Technokratische - und distanziert sich Tag für Tag mehr von dem, was diesseits und jenseits der Grenzen des Freistaats eigentlich als das Besondere der bayerischen Politik verstanden wird. Fast scheint es, als wolle er für die Erringung der Kanzlerschaft kein Bayer, sondern nur noch Deutscher sein. "Ihr müsst mich nehmen, wie ich bin" - das war Strauß. "Ich will so sein, wie ihr mich wollt" - ist das Stoiber? Schon beschleicht die vor wenigen Tagen noch so siegesgewissen Christdemokraten außerhalb Bayerns die Ahnung, dass die Rechnung nicht aufgehen könnte.

Prekär wird ein solcher Kurs für die CSU, jene Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch, die ihre Existenzberechtigung allein aus dem Etwas-Anders-, Etwas-Klarer-, Etwas-Deftiger-Sein als die große Unionsschwester bezieht. Strauß nannte dies das "Reinheitsgebot" der Politik aus Bayern für Deutschland und schwor darauf die Seinen ein. Lange Jahre tat ihm Stoiber darin gleich. Innere Sicherheit, Zuwanderung, Europapolitik, im Kleinen selbst die Öko-Steuer - die bayerischen Positionen signalisierten stets Kampf, nie Rückzug. Ob Sieg oder Niederlage bei der Bundestagswahl, am Ende erkennt sich die CSU vielleicht gar nicht mehr wieder. Und Bayern, das dem Land einen Kanzler schenken will, wäre schlussendlich nur noch eines unter vielen Bundesländern, weiter besonders erfolgreich, aber doch bloß Normalmaß. Jo mei.

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