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Darüber spricht ganz…: … Ägypten

Andrea Nüsse erklärt, warum weiblichen Angestellten geraten wurde, sich männliche Kollegen zur Brust nehmen

In den Büros von Kairo gibt es dieser Tage nur ein Thema: Werden weibliche Angestellten bald ihre männlichen Kollegen an ihrer Brust saugen lassen, um sicherzustellen, dass das gemeinsame Arbeiten in einem Büro den islamischen Vorschriften entspricht? Laut Anhängern einer extremen Auslegung islamischen Rechts dürfen nicht verwandte und nicht verheiratete Männer und Frauen nicht allein in einem Raum zusammentreffen. Dieses Dilemma glaubte Izzat Attia, Professor an der berühmten Al-Azhar-Universität in Kairo, nun gelöst zu haben. Bei seinen Recherchen war er auf eine Geschichte aus dem Leben des Propheten gestoßen, in der er einer Frau rät, ihren erwachsenen Adoptivsohn zu stillen, um seine Amme zu werden und damit das Verbot der Adoption im Islam zu umgehen. Auch habe Aischa, die Ehefrau Mohammeds, ihren Nichten empfohlen, jeden Mann zu stillen, mit dem sie allein zusammenträfen, um das angebliche Scharia-Verbot zu umgehen. Daraus schloss der Leiter der Abteilung für die Äußerungen des Propheten (Hadithe) an der Al-Azhar-Universität, dass dies die geeignete, nur in Vergessenheit geratene Methode sei, die strikte Geschlechtertrennung zu umgehen. Etwa am Arbeitsplatz: Nach fünfmaligem Stillen könnten die Frauen sogar ihren Kopfschleier vor den männlichen Kollegen abnehmen, weil sie symbolische Verwandte seien, erklärte er dem Satellitensender „Al Arabijja“.

In der arabischen Welt, die an kuriose Islam-Auslegungen gewöhnt ist, führte das Gutachten zu einem Aufschrei des Entsetzens und zu Witzen. Die ägyptische Tageszeitung „Al Dustour“ warnte ihre Leser: „Wundern Sie sich nicht, wenn Sie beim Betreten eines Regierungsgebäudes einen 50jährigen Beamten sehen, der an der Brust seiner Kollegin saugt.“ In einer Karikatur von Tarek Schahin ist ein glatzköpfiger Mann zu sehen, der seine Kollegin begrüßt. „So Mona, da wir in einem gemeinsamen Büro arbeiten, sollten wir jeden Verdacht vermeiden. Ich muss symbolisch an deinen Brüsten lutschen.“ Kollegen des Islam-Experten waren weniger amüsiert. Die Professorin für Theologie der Al Azhar, Malika Jussef, bezeichnete die Debatte als „krank“, der einflussreiche Scheich Khaled al Guindy sagte, das habe absolut nichts mit Islam zu tun. Das scheint auch der Verfasser mittlerweile einzusehen. Atia zog seine Fatwa zurück und entschuldigte sich. Er habe eine „schlechte Interpretation eines speziellen Falles aus der Zeit des Propheten“ abgeliefert, schreibt er in einer Erklärung, welche die Universität veröffentlichte. Al Azhar hat ein Disziplinarverfahren gegen den Theologen eröffnet.

Andrea Nüss

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