zum Hauptinhalt

Meinung: Das aktuelle Buch: Frau Antje in der Räuberhöhle

Dies ist die Legende von der frommen Antje, die unter die Räuber fiel. Sie wollte eine bessere Welt errichten, aber das haben die beiden Räuberhäuptlinge Joschka und Jürgen verhindert.

Von Hans Monath

Dies ist die Legende von der frommen Antje, die unter die Räuber fiel. Sie wollte eine bessere Welt errichten, aber das haben die beiden Räuberhäuptlinge Joschka und Jürgen verhindert. Der eine hatte seine Räuberhöhle im Auswärtigen Amt, der andere im Bundesumweltministerium. Und Antje haben sie das Fell über die Ohren gezogen, die beiden ausgekochten Fieslinge. Dabei hatte es Antje doch so gut gemeint.

Man kann es auch sachlicher formulieren: Die Grünen-Politikerin Antje Radcke, die von 1998 bis 2000 eine von zwei Bundesvorsitzenden ihrer Partei war, hat ein Buch über diese Zeit geschrieben. Leider konnte sie sich nicht recht entscheiden, ob sie eine sehr persönliche Abrechnung oder doch eine politische Analyse vorlegen sollte. Es muss kein Schaden sein, wenn eine Gekränkte, vielleicht auch eine an ihrer Aufgabe Gescheiterte, sich öffentlich zu rechtfertigen versucht - sofern der Leser bei diesem Versuch über die Grünen oder ihre Spitzenpolitiker etwas Neues erfährt.

Lernen kann man aus diesem Buch tatsächlich etwas: nämlich über das Gefühlsleben und die Denkwelt des linken Flügels bei den Grünen, als dessen Vertreterin Antje Radcke im Dezember 1998 in die strömungsquotierte Doppelspitze gewählt worden war. Dass dieser Flügel sich schwer tut, eine Welt zu gestalten, in der die Revolution an der Börse spielt, weiß jeder, der ihn einige Jahre beobachtet hat. Antje Radcke aber ist der Nachweis gelungen, dass dieser Strömung neben dem vagen Gefühl, die Welt müsse irgendwie anders, menschlicher, weiblicher werden, fast nichts geblieben ist - keine Begriffe, kein Leitgedanke, schon gar kein Konzept. Nur noch das Selbstmitleid.

In ihrem Fall ist das Selbstmitleid zumindest verständlich. Offensichtlich völlig unvorbereitet geriet sie an die Spitze einer Regierungspartei in einem Land, das mit seinen 80 Millionen Einwohnern und seiner Wirtschaftskraft nicht ganz unwichtig ist. Dort wunderte sie sich über vieles: über Menschen, die ihre Absichten geheim halten, über die Macht organisierter Interessen, nicht zuletzt über neugierige Journalisten, die aus Zitaten andere Nachrichten machen, als sie sich Frau Radcke gewünscht hätte. Hatte ihr vorher niemand gesagt, dass es in der Bundespolitik ziemlich rau zugeht? Aber die vielen Wunden, die sich ein naives Wesen beim Umgang mit gewieften Machtpolitikern holte, schmerzen sie nicht am meisten. Am meisten schmerzt sie noch immer der Verratsvorwurf linker grüner Gruppen, der sie traf, als sie wider ihre eigene Überzeugung für den Kosovo-Krieg eintrat.

Die Intoleranz dieses Milieus scheint Antje Radcke nicht einmal in dem Moment aufzugehen, als sie von ihren eigenen Leuten auf Demonstrationen mit faulem Obst beworfen oder bedroht wird. In welcher Welt lebt diese Frau? Ständig wiederholt sie die Glaubenssätze einer Politszene, deren große Zeit lange vorbei ist. Zum Beispiel: Männermacht hat verheerende Auswirkungen, lasst endlich Frauen Frieden schaffen. Oder: Die Basis, die Basis hat immer Recht.

Obwohl sie in der eigenen Partei überall Verrat sieht, unter Joschka Fischer und Jürgen Trittin leidet, sich ekelt vor den Aufsteigern und vor allem vor dem Gebrauch der Macht, die Wähler ihrer Partei verliehen haben, hält Antje Radcke zu den Grünen. Ihre Liebe zur Partei ist jedenfalls größer als die zur deutschen Sprache. Feiert die Basis einmal die Parteichefin, heißt das bei Radcke: "Auf Schritt und Tritt wurden mir Solidaritätsbekundungen zu Teil."

Antje Radcke ist noch immer Politikerin, nun zurück in Hamburg. Wer hat ihr nur geraten, dieses Buch zu schreiben?

Zur Startseite